Leitz Ordner: Ein Klassiker der Büroarbeit

01/04/2025

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Wenn es um Büroorganisation geht, ist ein Name untrennbar mit Struktur und Ordnung verbunden: Leitz. Seit über einem Jahrhundert prägt die Marke Leitz die Art und Weise, wie wir Dokumente ablegen und wiederfinden. Doch die Geschichte des berühmten Leitz Ordners ist weit mehr als nur die Entwicklung eines praktischen Gegenstands; sie ist eine Reise durch die Industrialisierung, den Erfindungsgeist und die Entwicklung der modernen Büroarbeit. Tauchen wir ein in die Welt, die Johann Ludwig Leitz schuf, um der wachsenden Papierflut Herr zu werden.

Wo produziert Leitz?
Leitz und die Boehlerit GmbH & Co. KG in Kapfenberg, Österreich, sowie die Bilz Werkzeugfabrik GmbH & Co. KG, Ostfildern, Baden-Württemberg, bilden gemeinsam den Leitz-Firmenverbund. Boehlerit produziert Hartmetall- und Diamantschneidstoffe sowie Sonderwerkzeuge für die Metallbearbeitung.
Übersicht

Die Anfänge: Ein Schwabe bezwingt die Papierflut

Die Wurzeln des Erfolgs liegen im Württemberg des späten 19. Jahrhunderts. Mit der fortschreitenden Industrialisierung und der zunehmenden Komplexität von Verwaltung und Wirtschaft schwoll die Menge an Schriftstücken in Ämtern und Kontoren unaufhörlich an. Das chaotische Anwachsen von Papier stellte eine erhebliche Herausforderung für die Organisation und Effizienz dar. Johann Ludwig Leitz, geboren am 2. Mai 1846, erkannte in dieser Herausforderung eine große Chance für eine Marktlücke.

Nach einer Ausbildung zum Drechsler und Mechaniker stieß er während seiner Lehrzeit oder frühen Berufsjahre auf die sogenannten Biblorhapten – ein französisches Ablagesystem. Bei diesem System wurden Dokumente fortlaufend auf Nägel aufgespießt, was eine primitive Form der Archivierung darstellte. Leitz sah das grundlegende Prinzip, war aber überzeugt, dass mit solchen „Spieß-Ordnern“ in einer deutlich verbesserten Qualität und Funktionalität gute Geschäfte zu machen wären.

Getrieben von dieser Vision und dem Wunsch, Ordnung in die Verwaltung zu bringen, gründete er im Juli 1871 in Stuttgart-Feuerbach seine „Mechanische Werkstatt und Faktura-Bücherei“. Dies war der bescheidene Anfang eines Unternehmens, das das Bürowesen revolutionieren sollte.

Vom Spieß zum Hebel: Die Geburt des Leitz Ordners

Über zwei Jahrzehnte lang investierte Johann Ludwig Leitz, der sich bald Louis Leitz nannte, unermüdlich Zeit und Mühe in die Entwicklung praktischerer Neukonstruktionen für die Dokumentenablage. Seine Innovationen zielten darauf ab, das Ablegen und Entnehmen von Dokumenten zu vereinfachen und gleichzeitig für dauerhafte, zuverlässige Ordnung zu sorgen – ein klares Upgrade gegenüber dem einfachen Aufspießen.

1893 gelang ihm ein entscheidender Durchbruch: Er entwickelte eine erste Ordnungsmechanik, die bereits über einen Umlegebügel und einen Hebel verfügte. Diese Mechanik war weitaus benutzerfreundlicher und effektiver als das bisherige System und löste den im Jahr zuvor entwickelten „Leitz-Registrator auf Holzbrett“ ab.

Der Höhepunkt dieser Entwicklungsarbeit wurde schließlich 1896 erreicht. In diesem Jahr entstand der Prototyp des Leitz Ordners, wie wir ihn im Wesentlichen heute noch kennen und der zum Inbegriff der Büroorganisation wurde. Leitz nietete seine noch einmal verbesserte, robuste Mechanik – das Herzstück des Ordners, das ein einfaches Öffnen und Schließen ermöglichte – fest und dauerhaft in einen stabilen Bucheinband ein. Dies schuf eine langlebige, eigenständige Einheit für die systematische Dokumentenverwaltung im Stehen.

Ein besonders kluger und kundenfreundlicher Schachzug war auch, dass der Kunde anfangs zu jedem Ordner den passenden Locher dazu erhielt. Dies stellte sicher, dass das System sofort einsatzbereit war und die Dokumente perfekt auf die Mechanik des Ordners vorbereitet werden konnten. Die Effizienz und Benutzerfreundlichkeit des Systems waren so überzeugend und verbreiteten sich so schnell, dass das „Lochen“ von Dokumenten im deutschen Sprachraum umgangssprachlich oft einfach als „leitzen“ bezeichnet wurde – ein eindrucksvolles Zeugnis für den tiefgreifenden Einfluss der Marke auf den Büroalltag und ihre Marktdominanz.

Konkurrenz und der Kampf um den Standard: 8 cm setzen sich durch

Wie bei vielen erfolgreichen Erfindungen gab es auch für den Leitz Ordner Konkurrenz. Einer der größten und hartnäckigsten Rivalen war die Firma Soennecken mit Sitz in Bonn, ebenfalls ein bedeutender Hersteller von Büroartikeln. Zwischen Leitz und Soennecken entbrannte ein langwieriger und intensiver Patent-Rechtsstreit, der über Jahre hinweg zermürbend war.

Dabei ging es um zentrale Elemente der Ordnermechanik und des Ordnerdesigns, die für die Funktionalität und Benutzerfreundlichkeit entscheidend waren. Streitpunkte waren unter anderem die „Hebelmechanik mit Rolle“ (die das Betätigen des Hebels erleichterte), das praktische „Griffloch im Einband“ (das das Herausnehmen des Ordners aus einem dicht gefüllten Regal erheblich vereinfachte) und vor allem um die Normierung der Loch-Abstände für Dokumente.

Leitz hatte sich bei der Entwicklung seines Systems für einen Abstand von acht Zentimetern zwischen den beiden Löchern entschieden, die in das Papier gestanzt werden mussten. Soennecken hingegen nutzte einen Abstand von sieben Zentimetern. Dieser scheinbar kleine Unterschied hatte immense Auswirkungen auf die Kompatibilität von Lochern und Ordnern verschiedener Hersteller und somit auf den gesamten Markt für Büroorganisation. Ein einheitlicher Standard war dringend notwendig.

Der Streit wurde schließlich zugunsten von Leitz entschieden: Im Jahr 1926 setzte sich der von Leitz favorisierte 8-Zentimeter-Abstand bei der Deutschen Industrie-Norm (DIN) durch. Dieser Standard, bekannt als DIN 831, ist bis heute gültig und bildet die Grundlage für Locher und Ordner weltweit (neben dem Vierfachlochung-Standard mit 8-8-8 cm Abstand). Die Durchsetzung dieses Standards war ein entscheidender Sieg für Leitz und ein bleibendes Erbe der Innovationskraft des Unternehmens, das die Büroarbeit global vereinfacht und vereinheitlicht hat.

Wachstum, Herausforderungen und das Ende einer Ära

Nach dem Tod von Johann Ludwig Leitz im Jahr 1918 blieb das erfolgreiche Unternehmen über vier Generationen hinweg in Familienhand. Jeweils die Söhne führten den Betrieb weiter und sicherten so die Kontinuität und Weiterentwicklung. Diese Phase war geprägt von Wachstum, aber auch von Anpassungen an die wechselnden wirtschaftlichen und politischen Zeitläufte.

Während der Zeit des Nationalsozialismus profitierte die Firma Leitz von der stark zunehmenden Bürokratie und der damit verbundenen Nachfrage nach Ordnungsmitteln. In dieser Phase kam es jedoch auch zu einer ethisch fragwürdigen Episode in der Firmengeschichte: 1933 übernahm Leitz die „Grünewald's Registrator Co. Aktiengesellschaft“ (Gerco) zu einem extrem niedrigen Preis. Der Grund dafür war, dass der Hauptteilhaber der Gerco Jude war und unter dem Druck des Regimes stand. Die Leitz-Firmenleitung verkündete daraufhin in einem Rundschreiben vom 26. April 1933, dass Gerco „nun rein arisch“ sei. Diese Umstände trugen zu rekordhohen Umsätzen im Geschäftsjahr 1938/39 bei, die sieben Millionen Reichsmark erreichten, und die Mitarbeiterzahl stieg auf 750.

Nach dem Zweiten Weltkrieg, trotz teilweiser Zerstörung der Fabrik in Stuttgart, erholte sich das Unternehmen bemerkenswert schnell. Bereits 1952 wurde der Vorkriegsumsatz wieder erreicht, was die anhaltende Notwendigkeit und Beliebtheit der Leitz Produkte unterstrich. Ein weiterer bedeutender Schritt zur Konsolidierung der Marktposition war die Übernahme des ehemaligen Erzrivalen Soennecken im Jahr 1967; Soennecken wurde anschließend abgewickelt.

Auch mit dem Aufkommen des Computers und der Digitalisierung in den späten 1970er Jahren und den folgenden Jahrzehnten, als viele das Ende des Papiers voraussagten, wuchs der Büromittelmarkt weiter. Die oft prognostizierte Vision vom „papierlosen Büro“ wurde nicht zur Realität, was für Hersteller von Büroartikeln wie Leitz von Vorteil war. Die Papierflut in vielen Bereichen blieb bestehen.

Eine größere Bedrohung stellte hingegen die zunehmende Globalisierung und der damit verbundene intensive Preiskampf dar. International agierende Handelsketten für Büroartikel setzten Leitz unter erheblichen Druck. Diese veränderten Marktbedingungen und der steigende Wettbewerbsdruck führten schließlich 1998 zum Ende der langen Familienära. Die Erben von Leitz verkauften das Unternehmen an den schwedischen Büroartikel-Hersteller Esselte. Im Zuge dieser Übernahme kam es leider auch zur Entlassung eines Großteils der rund 2.500 Mitarbeiter, was einen schmerzhaften Einschnitt bedeutete. 2002 wurde Esselte seinerseits von einem US-Investor übernommen. Die gute Nachricht für die Kunden ist jedoch: Die Marke Leitz, die für Qualität, Innovation und Ordnung im Büro steht, blieb und bleibt weiterhin bestehen, auch wenn die Eigentümer gewechselt haben und die Geschichte der ursprünglichen Leitz GmbH & Co. KG (die sich auf Werkzeuge spezialisierte, wie in anderen Kontexten beschrieben) unabhängig von der Büroartikel-Sparte zu betrachten ist.

Leitz heute: Die Marke lebt weiter

Obwohl sich die Eigentümerstruktur der Büroartikel-Sparte geändert hat und das Unternehmen nicht mehr in Familienbesitz ist, hat die Marke Leitz ihre Bedeutung im Bereich der Büroorganisation behalten. Der Leitz Ordner ist nach wie vor ein unverzichtbares Werkzeug in vielen Büros, Schulen und Haushalten weltweit. Er steht sinnbildlich für Effizienz, Langlebigkeit und eine durchdachte Funktionalität, die über ein Jahrhundert hinweg Bestand hatte und sich an die Bedürfnisse der Nutzer anpasste.

Die Geschichte von Johann Ludwig Leitz und seinem revolutionären Ordner ist ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie eine einfache, aber geniale Idee das tägliche Leben und Arbeiten nachhaltig verändern und eine ganze Branche prägen kann. Von einer kleinen Werkstatt in Stuttgart bis zur global bekannten Marke – Leitz hat die Art und Weise, wie wir Papier organisieren, für immer geprägt und bleibt ein Synonym für Ordnung.

Häufig gestellte Fragen zum Leitz Ordner

Wer hat den Leitz Ordner erfunden?

Der Leitz Ordner wurde von Johann Ludwig Leitz erfunden und entwickelt. Er gründete das Unternehmen im Jahr 1871.

Wann wurde der klassische Leitz Ordner entwickelt?

Der klassische Leitz Ordner mit der verbesserten Mechanik, die in einen Bucheinband integriert ist, entstand im Jahr 1896.

Welchen Lochabstand nutzt der Leitz Ordner?

Der Leitz Ordner nutzt den genormten Lochabstand von 8 Zentimetern, der nach einem Patentstreit mit der Konkurrenz 1926 als deutsche Industrienorm (DIN) festgelegt wurde und bis heute Standard ist.

Ist die Firma Leitz noch in Familienbesitz?

Nein. Die Büroartikel-Sparte der Firma Leitz wurde 1998 an den schwedischen Büroartikel-Hersteller Esselte verkauft. Esselte wurde später von einem US-Investor übernommen. Die Marke Leitz existiert und wird weiterhin genutzt, ist aber kein unabhängiges Familienunternehmen mehr.

Wo befand sich die erste Werkstatt von Johann Ludwig Leitz?

Die erste Werkstatt von Johann Ludwig Leitz, in der er mit der Entwicklung von Büroorganisationsmitteln begann, befand sich in Stuttgart-Feuerbach.

Wurde Leitz vom papierlosen Büro bedroht?

Obwohl das papierlose Büro oft prognostiziert wurde, ist es nicht zur Realität geworden. Der Bedarf an physischer Dokumentenorganisation und damit an Produkten wie dem Leitz Ordner blieb bestehen, was dem Unternehmen zugutekam, auch wenn die Globalisierung und der Preiskampf neue Herausforderungen brachten.

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