14/04/2021
Fjodor Dostojewski, einer der bedeutendsten Schriftsteller der Weltliteratur, führte ein Leben voller Extreme, das ihm als reiche Quelle für seine tiefgründigen Werke diente. Seine Persönlichkeit und sein Schaffen geben bis heute Rätsel auf und faszinieren Leserinnen und Leser weltweit. Dostojewski durchlebte nicht nur äußere Widrigkeiten wie Armut, Verfolgung und Verlust, sondern rang auch mit inneren Dämonen und Krankheiten, die sein Leben prägten und seine einzigartige Sicht auf die menschliche Seele formten. Seine Fähigkeit, aus Leid und Widersprüchen Kunst zu schaffen, macht ihn zu einem herausragenden Psychologen, lange bevor die Psychoanalyse existierte.

Die Prägungen der Kindheit und Jugend
Fjodor Dostojewski wurde 1821 in Moskau als zweites von acht Kindern geboren. Seine frühe Kindheit war geprägt von der liebevollen und gläubigen Mutter, Marija Fjodorowna, die ihm Poesie und Musik näherbrachte. Diese Bindung war eine wichtige Quelle des Urvertrauens. Gleichzeitig stand die Kindheit unter dem Schatten des cholerischen und unberechenbaren Vaters, Michail Andrejewitsch, einem Arzt in einem Armenhospital. Die strenge, teils grausame Erziehung des despotischen Vaters konfrontierte den jungen Fjodor früh mit menschlichen Abgründen, die er später in seinen Werken verarbeiten sollte. Der frühe Tod der Mutter an Schwindsucht (Tuberkulose) im Alter von 36 Jahren, als Dostojewski 15 war, hinterließ eine tiefe seelische Wunde. Dieses Beziehungstrauma, der plötzliche Verlust einer haltgebenden Bindung, wurde von Dostojewski nie offen thematisiert, was auf die nachhaltige Verheerung hindeuten mag.
Auf Wunsch des Vaters besuchte Dostojewski eine militärische Ingenieurschule in St. Petersburg. Der militärische Drill war für den literaturbegeisterten Jüngling eine Qual. Zwei Jahre nach dem Tod seiner Mutter starb auch der Vater tragisch auf seinem Landgut. Die genauen Umstände sind bis heute nicht abschließend geklärt, doch es wird vermutet, dass die Leibeigenen den despotischen Alkoholiker in Wut erschlagen haben. Dieser Verlust des Vaters, verbunden mit der möglichen Schuld der Leibeigenen, die er so grausam quälte, war eine weitere traumatische Erfahrung im Erwachsenwerden Dostojewskis – ein Mann-Werden ohne mütterliche Liebe und ohne positives männliches Vorbild.
Dostojewskis Krankheiten und Leiden
Die Frage nach Dostojewskis Krankheiten ist eng mit seinem turbulenten Leben verbunden. Eine der bekanntesten Krankheiten, unter der er litt, war die Epilepsie. Sigmund Freud sah in Dostojewskis Epilepsie eine Folge von Schuldgefühlen im Zusammenhang mit dem Tod des Vaters und einem unbewussten Strafbedürfnis, eine neurotische Erregung, die in Anfällen Abfuhr fand. Auch wenn die Dostojewski-Forschung Freuds Thesen nicht abschließend bestätigt hat, litt Dostojewski tatsächlich unter wiederkehrenden, teils heftigen Anfällen. Er selbst erlitt seinen ersten schweren Anfall auf der Heimreise nach Semipalatinsk im Jahr 1857 und erhielt dort erstmals die Diagnose. Später sollte er sich Vorwürfe machen, diese Krankheit an seinen Sohn Aljoscha vererbt zu haben, der 1878 im Alter von knapp drei Jahren an einem epileptischen Anfall starb.
Neben der Epilepsie litt Dostojewski nach dem mäßigen Erfolg seines zweiten Buches „Der Doppelgänger“ an einer unklaren Nervenkrankheit. Dies deutet auf Perioden der psychischen Belastung und möglicher Depressionen hin, die er durch seine narzisstische Abwehr und später durch die Flucht in politische Aktivitäten zu kompensieren suchte.
Eine weitere schwere Last in Dostojewskis Leben war seine Spielsucht. Nach dem Tod seiner ersten Frau Marija und seines geliebten Bruders Michail im Jahr 1864 geriet Dostojewski in eine tiefe Krise. Hoch verschuldet, suchte er Zuflucht im Glücksspiel, das ihm kurzfristig eine fantasiereiche Lösung seiner finanziellen Probleme versprach, ihn aber in Wirklichkeit in noch größere Not stürzte. Das Casino wurde zu einer Art neuem „Gefangenenlager“, einem Ort ständiger Bedrohung und autoaggressiver Selbstanklage. Diese Sucht führte zu verzweifelten Bittschreiben, dem Verpfänden von Hab und Gut und Verträgen, die ihn an den Rand des Ruins brachten. Erst durch die Unterstützung seiner zweiten Frau Anna Snitkina gelang es ihm um 1871, diese zerstörerische Leidenschaft zu überwinden.

In seinen letzten Lebensjahren litt Dostojewski zudem an einem Lungenemphysem, einer chronischen Lungenerkrankung. Zu Therapiezwecken besuchte er ab 1874 mehrfach den Kurort Bad Ems. Diese Erkrankung führte schließlich zu seinem Tod. Am 9. Februar 1881 erlitt er Lungenblutungen, die zum Tode führten.
Zusammenfassend lassen sich folgende Krankheiten und Leiden bei Dostojewski festhalten:
- Epilepsie
- Unklare Nervenkrankheit/Depressionen
- Spielsucht
- Lungenemphysem
Auch seine Mutter und seine erste Frau starben an Tuberkulose, was ihn zweifellos stark belastete.
Extreme Lebenserfahrungen als Stoff des Schaffens
Dostojewskis Leben war ein Epos monumentalen Ausmaßes, geprägt von einer Vielzahl von Extremerfahrungen, die er in seinen Romanen verarbeitete:
Die Scheinhinrichtung und die Jahre im Totenhaus
Ein prägendes Erlebnis war die Verhaftung 1849 wegen seiner Beteiligung am revolutionären Petraschewski-Zirkel. Nach monatelanger Haft wurde er zum Tode verurteilt. Die Hinrichtung am 22. Dezember 1849 erwies sich jedoch als Scheinhinrichtung; das Todesurteil wurde in Zwangsarbeit und anschließenden Militärdienst in Sibirien umgewandelt. Dieses Erlebnis, die unmittelbare Konfrontation mit dem Tod und die plötzliche Begnadigung, empfand Dostojewski als eine Art „Wiedergeburt“. Es war eine Erfahrung von extremem psychischem Druck und Ohnmacht, die ihn tief prägte.
Die folgenden neun Jahre verbrachte er in Sibirien, vier davon in einem Straflager (Katorga) in Omsk und fünf im Militärdienst. Im Straflager lebte er unter widrigsten Bedingungen, angekettet und zusammen mit Schwerverbrechern. Er erlebte grausame Auspeitschungen und war suizidal. Doch selbst in diesem „Totenhaus begraben, ohne gestorben zu sein“, wie er es nannte, gelang es ihm, eine zugewandte Neugier auf seine Mitgefangenen zu bewahren und Menschlichkeit zu entdecken. Diese Erfahrungen verarbeitete er in seinen „Aufzeichnungen aus einem Totenhause“, einem Werk, das als erstes in der russischen Literatur das Leben der Häftlinge und ihren Kampf um Würde schilderte.
Die Jahre der Gefangenschaft und des Militärdienstes führten bei Dostojewski zu einer Abkehr von seinen früheren politischen Überzeugungen, aber nicht von seinem Ideal eines christlichen Sozialismus, der Idee, dass Menschlichkeit durch spirituelle Kraft ein Paradies auf Erden schaffen könne.
Der Kampf gegen Schulden und Sucht
Die finanzielle Not war ein ständiger Begleiter in Dostojewskis Leben, verstärkt durch seine Spielsucht und die Verpflichtung, die Familie seines verstorbenen Bruders zu unterstützen. Er war oft gezwungen, unter extremem Zeitdruck zu schreiben, um Verträge zu erfüllen und dem totalen Ruin zu entgehen. Der Roman „Der Spieler“ (1866) entstand in nur 26 Tagen unter dem Druck einer solchen Deadline und diente ihm gleichzeitig als Auseinandersetzung mit seiner eigenen Sucht.

Die finanzielle Situation und die Spielsucht spiegelten seine innere Zerrissenheit und sein unbewusstes Strafbedürfnis wider. Sein weltberühmter Roman „Schuld und Sühne“ (1866), der sich intensiv mit den Themen Mord, Schuld und Strafe beschäftigt, entstand in dieser turbulenten Zeit.
Spätere Jahre und literarischer Erfolg
Trotz aller Rückschläge und persönlichen Tragödien – wie dem frühen Tod seiner Tochter Sofija und später seines Sohnes Aljoscha – fand Dostojewski in seinen letzten Lebensjahren zu einer gewissen Stabilität. Die Ehe mit Anna Snitkina, die ihm eine Stütze war und ihm half, seine Finanzen und seine Spielsucht in den Griff zu bekommen, spielte dabei eine entscheidende Rolle. Sie organisierte sein Leben und ermöglichte ihm, sich auf sein Schaffen zu konzentrieren.
In den 1860er und 1870er Jahren entstanden seine Hauptwerke, die ihn zu Weltruhm führten:
- Schuld und Sühne (1866)
- Der Idiot (1869)
- Die Dämonen (1872)
- Der Jüngling (1875)
- Die Brüder Karamasow (1880)
Diese Romane sind tiefgründige psychologische Studien, die sich mit den moralischen, religiösen und politischen Fragen seiner Zeit auseinandersetzen. Sie schildern Charaktere in ihrer seelischen Zerrissenheit, ihrem Ringen um Würde und ihrem Suchen nach Sinn. Dostojewski wurde zum Wortführer einer seelischen Komplexität, die den Menschen seit dem Anbruch der Moderne prägt.
In seinen letzten zehn Jahren erlangte er finanzielle Ordnung und genoss Anerkennung im ganzen Land. Er wurde zum Korrespondierenden Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften gewählt und hielt bedeutende Reden. Er starb am 9. Februar 1881 im Alter von 60 Jahren an den Folgen eines Blutsturzes. Seine Beerdigung war ein Ereignis von nationaler Bedeutung, an der Zehntausende teilnahmen.
Die Bedeutung von Dostojewskis Werk
Dostojewski gilt als einer der herausragenden Psychologen der Weltliteratur. Seine Werke sind eine beeindruckende Erkundung der menschlichen Seele, ihrer Bewegungen, Zwänge und Befreiungen. Er beschrieb gesellschaftliche Randfiguren wie Irre, Arme und Sträflinge mit schonungsloser Genauigkeit und verteidigte stets ihr Recht auf Würde. Nietzsche bewunderte ihn als einen der wenigen Psychologen, von dem er lernen konnte.
Sein Stil, oft in Form von Feuilletonromanen veröffentlicht, weist kurze Spannungsbögen auf, was seine komplexen Geschichten überraschend zugänglich macht. Dostojewskis Fähigkeit, aus seinen eigenen extremen Lebenserfahrungen – seinen Krankheiten, Traumata, Kämpfen und Verlusten – universelle menschliche Dramen zu schaffen, macht sein Werk bis heute relevant und fesselnd. Er schöpfte den Stoff aus seinen extremen Lebenserfahrungen und beeindruckt als Mensch mit ungebrochenem Lebenswillen.

Häufig gestellte Fragen zu Dostojewski
Welche Krankheiten hatte Dostojewski?
Dostojewski litt unter Epilepsie, einer unklaren Nervenkrankheit (möglicherweise Depressionen), einer schweren Spielsucht und in seinen letzten Jahren an einem Lungenemphysem.
Was ist das Besondere an Dostojewskis Werk?
Das Besondere an Dostojewskis Werk ist seine außergewöhnlich tiefe psychologische Einsicht in die menschliche Seele, seine Darstellung innerer Konflikte und Widersprüche sowie sein Ringen um die Frage der menschlichen Würde. Er verarbeitete politische, soziale und spirituelle Umbrüche seiner Zeit und schuf komplexe Charaktere, oft gesellschaftliche Außenseiter, mit großer Tiefe und Mitgefühl. Seine Werke sind trotz ihrer Komplexität oft sehr spannend erzählt.
Wie viele Werke hat Dostojewski geschrieben?
Dostojewski schrieb neun Romane, zahlreiche Novellen und Erzählungen sowie ein umfangreiches Korpus an nichtfiktionalen Texten.
War Dostojewski reich?
Nein, Dostojewski lebte fast zeitlebens in finanzieller Not, oft gezeichnet von Schulden und dem Druck, schnell Geld verdienen zu müssen. Erst in den letzten zehn Jahren seines Lebens lebte er in finanziell geordneten Verhältnissen und genoss Anerkennung.
Was war die Scheinhinrichtung?
Die Scheinhinrichtung war ein traumatisches Erlebnis im Jahr 1849, bei dem Dostojewski und andere Verurteilte wegen politischer Aktivitäten zum Tode verurteilt und zum Hinrichtungsplatz geführt wurden. Kurz vor der Vollstreckung wurde das Urteil zu Zwangsarbeit und Militärdienst umgewandelt. Dieses Ereignis hatte tiefgreifende Auswirkungen auf ihn.
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