11/11/2013
In der heutigen Geschäftswelt gibt es Unternehmen, die aus der Masse herausstechen, sei es durch ihre Produkte, ihre Werte oder ihre außergewöhnliche Unternehmenskultur. Ein solches Beispiel ist die Firma Einhorn. Bekannt für ihre veganen Kondome und Menstruationsprodukte, verfolgt Einhorn einen Ansatz, der über das reine Produkt hinausgeht. Das Unternehmen aus Berlin setzt auf Überzeugung, Nachhaltigkeit und vor allem auf eine radikal andere Art des Arbeitens. Gleichzeitig fasziniert die Startup-Welt mit dem Konzept der 'Einhörner' – Unternehmen, die eine magische Milliardenbewertung erreichen. Doch was verbirgt sich hinter Einhorn, und was macht ein Startup zum 'Unicorn'?
Einhorn, mit seinen rund 25 Mitarbeitenden, demonstriert eindrucksvoll, wie Arbeit anders gestaltet werden kann. Die Ideen des Unternehmens kommen aus tiefster Überzeugung und spiegeln sich in einem offenen Umgang mit Themen wie Sexualität wider. Doch die wahre Besonderheit liegt in ihrer Unternehmenskultur. Hier genießen die Mitarbeitenden Freiheiten, die in traditionellen Strukturen selten zu finden sind: Urlaub nach Belieben, eine 32-Stunden-Woche und ein selbstbestimmtes Gehalt. Markus Wörner, zuständig für People & Culture und PR, gibt Einblicke in dieses unkonventionelle Büroleben in einem Berliner Hinterhof.

Die Einhorn-Kultur: Selbstbestimmung und Vertrauen
Die Arbeitsweise bei Einhorn ist geprägt von einem hohen Maß an Selbstbestimmung. Wann, wo und wie viel gearbeitet wird, liegt in der Verantwortung jedes Einzelnen. Dieses Modell mag wie ein Traum klingen, birgt aber auch Herausforderungen. Markus Wörner betont, dass dieser Weg auch zu konfliktbehafteten Phasen führen kann, in denen viel diskutiert wird und Energie fließt. Es erfordert von allen Beteiligten eine hohe Anpassungsbereitschaft und den Willen, sich auf diese 'Crazyness' einzulassen.
Ein zentrales Element der Einhorn-Kultur ist das Fehlen formaler Hierarchien. Selbst die Gründer Philip Stiefer und Waldemar Zeiler haben ihre Entscheidungshoheit auf dem Papier abgelegt. Stattdessen setzt das Unternehmen auf Schwarmintelligenz. Entscheidungen werden gemeinsam erarbeitet, was Kompromisse notwendig macht. Die einzige existierende Hierarchie ist eine organisch gewachsene soziale Hierarchie, die auf Erfahrung und Kompetenz basiert. Diese kann laut Markus Wörner sogar positiv wirken.
Die Umstellung auf diese selbstbestimmte Arbeitsweise kann dauern. Markus selbst benötigte zwei Jahre, um seinen gelernten Rhythmus abzulegen. Aus anfänglich 'sehr viel Chaos', das sogar bis zu einem gewissen Grad gewollt war, hat sich eine Organisation entwickelt, die auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden reagiert. Es geht darum, ein Unternehmen zu gestalten, mit dem sich die Menschen identifizieren können, unabhängig davon, ob sie sehr selbstbestimmt arbeiten oder etwas mehr Führung benötigen. Diese flexible Kultur birgt nach Ansicht der Einhorn-Mitarbeitenden weit mehr Potenzial als Makel.
Das selbstbestimmte Gehalt bei Einhorn
Die Selbstbestimmtheit erstreckt sich auch auf das Gehalt. Mitarbeitende dürfen selbst entscheiden, was sie verdienen. Diese Freiheit ist an zwei Bedingungen geknüpft: Der Höchstverdiener darf maximal viermal so viel verdienen wie der Geringstverdiener, und das Gehalt muss für das Unternehmen machbar sein. Diese Transparenz bezüglich der Gehälter ist fester Bestandteil der Kultur.
Da es nicht immer einfach ist, den Wert der eigenen Arbeit zu bestimmen, gibt es einen dreiköpfigen Gehaltsrat. Dieser Rat berät die Kolleg*innen bei der Frage nach einer gerechten Vergütung. Die Diskussion über ein faires Gehalt wird bei Einhorn fast philosophisch geführt. Markus Wörner ist überzeugt: Ein objektiv 'faires Gehalt' existiert nicht, da jeder Mensch andere Bedürfnisse hat, um glücklich zu sein. Es gibt aber ein Gehalt, das sich in einem Bereich bewegt, der als gerecht empfunden wird. Ein Sockelbetrag von 2.700 Euro Brutto, orientiert am Grundeinkommen, wurde festgelegt, doch alle Angestellten verdienen mehr. Gehalt wird bei Einhorn nicht nur als Lohn für geleistete Arbeit gesehen, sondern auch als Mittel, um finanzielle Sorgen zu minimieren und den Kopf für gute Leistungen freizuhalten. Sorgen können lähmen, besonders in einem kreativen Umfeld.
Vertrauensarbeitszeit und Produktivität
Ein weiterer Ausdruck der Vertrauenskultur ist der Umgang mit Abwesenheiten. Wer keine Lust hat, sich nicht nach Arbeit fühlt oder private Sorgen hat, soll zu Hause bleiben. Eine kurze Nachricht per Slack genügt. Die Philosophie dahinter ist klar: Es ist wertvoller, wenn Mitarbeitende mit voller Energie ins Büro kommen, anstatt sich dorthin zu schleppen und nur Zeit abzusitzen. Das Vorspielen von Kopfschmerzen ist nicht nötig, denn das verfehlt den Sinn, wie Einhorn Arbeit leben möchte.
Trotz oder gerade wegen dieser unkonventionellen Ansätze ist Einhorn produktiv. Im Jahr 2022 erwirtschaftete das Unternehmen sechs Millionen Euro Umsatz.
Fairstanability: Mehr als nur Nachhaltigkeit
Einhorn legt großen Wert auf Fairstanability – eine Kombination aus Fairness und Sustainability (Nachhaltigkeit). Das Unternehmen arbeitet eng mit Kautschukbauern in Thailand zusammen, um faire und ethische Bedingungen beim Abbau sicherzustellen. Lieferketten werden auf Fairness geprüft, CO2-Emissionen kompensiert und Studien sowie Spendenprojekte unterstützt. Auch wenn nicht immer alles perfekt im 'grünen Bereich' ist, zeichnet sich Einhorn durch hohe Transparenz aus.
Selbst kontroverse Entscheidungen, wie der Verkauf von Produkten auf Amazon, werden intern intensiv diskutiert. Die aktuelle Lösung ist, die Produkte beim Marktführer zumindest teurer anzubieten als im eigenen Shop. Für Markus Wörner, der vor Einhorn nie länger als zwei Jahre bei einem Unternehmen blieb, ist diese Philosophie alternativlos geworden. Er schätzt die gelebte Freiheit, die Privat- und Berufsleben in Einklang bringt. Dieses Modell funktioniert jedoch nur mit einer ehrlichen Fehlerkultur und dem Anspruch, die Welt ein Stück besser zu machen.
Was ist ein Unicorn?
Neben Unternehmen mit außergewöhnlicher Kultur wie Einhorn gibt es in der Wirtschaftswelt den Begriff des 'Unicorns'. Ein Unicorn ist ein Startup-Unternehmen, das eine Marktbewertung von über einer Milliarde US-Dollar erreicht hat. Diese Bewertung findet in der Regel statt, bevor das Unternehmen an die Börse geht oder bevor es sich von seinen Kapitalgebern trennt (Exit). Der Begriff wurde 2013 von Aileen Lee geprägt.

Deutsche Unicorns
Auch wenn die meisten Unicorns in den USA zu finden sind, gibt es auch in Deutschland einige dieser Milliarden-Startups, hauptsächlich in Berlin und München. Beispiele für deutsche Unicorns sind:
- About You (E-Commerce, Mode & Technik)
- Auto1 Group (Automobilhändler)
- Biontech (Medizin, Immuntherapien)
- celonis (IT, Prozessermittlung)
- Check24 (Online-Vergleichsportal)
- CureVac (Medizin, mRNA-Therapien)
- Delivery Hero (E-Commerce, Essenslieferung)
- Flixbus (Fernbusunternehmen)
- Global Fashion Group (Mode)
- HelloFresh (Kochboxen-Abo)
- N26 (Direktbank)
- Otto Bock Health-Care (Orthopädische Industrie - existiert schon lange, aber hat Unicorn-Bewertung erreicht)
- Scout24 (Online-Marktplätze)
- trivago (Reisebranche, Hotelvergleich)
- Zalando (Online-Plattform für Mode)
Die meisten deutschen Unicorns sind in der Technik- und IT-Branche angesiedelt, da diese Bereiche viele Möglichkeiten für schnelle Skalierung und Kundenwachstum bieten. Städte wie Berlin und München ziehen Expertenwissen, Geldgeber und Neugründungen an, was sie zu Hotspots für Startups macht.
Warum gibt es in Amerika mehr Unicorns als in Deutschland?
Deutschland hinkt in Bezug auf die Anzahl der Unicorns den USA hinterher. Dafür gibt es mehrere Gründe, die tief in der Kultur und den Wirtschaftsstrukturen verwurzelt sind:
- Gründerkultur: In den USA, insbesondere im Silicon Valley, herrscht eine andere Gründerkultur. Große Unternehmen stellen kreative Mitarbeiter überdurchschnittlich gut bezahlt ein. Die Risikobereitschaft ist höher.
- Work-Life-Balance vs. Arbeitsintensität: Während in Deutschland die Work-Life-Balance stark betont wird und Büros oft schon um 17 Uhr leer sind, arbeiten Mitarbeiter im Silicon Valley oft bis spät in die Nacht.
- Gründervorbilder: In den USA kennen viele junge Menschen Persönlichkeiten wie Mark Zuckerberg oder Steve Jobs als Vorbilder. In Deutschland fehlen solche populären Gründerfiguren.
- Expansionsverhalten großer Konzerne: Große amerikanische und chinesische Konzerne expandieren seltener nach Europa. Das bedeutet weniger Wettbewerb, aber auch weniger Impulse und Kapitalfluss.
- Zurückhaltende Investoren: Deutsche Kapitalgeber sind oft zurückhaltender und risikobewusster als ihre amerikanischen Pendants. Dies führt dazu, dass deutsche Startups sich langsamer entwickeln oder ihre Ideen ins Ausland tragen müssen, um die notwendige Finanzierung zu erhalten.
Experten sehen nicht nur das Risikokapital als Problem, sondern auch kulturelle Unterschiede. Im Silicon Valley gibt es eine stärkere Unterstützung von Startups durch erfahrene Unternehmer ('alte Hasen'). Zudem gibt es die Frage, ob Europa überhaupt Technologie-Giganten im Stil von Google oder Facebook wünscht, angesichts der strengen Datenschutzgesetze der EU und der Bedenken hinsichtlich der Macht dieser Unternehmen.
Wie wird man zum Unicorn?
Der Traum, ein Unicorn zu werden, ist für viele Gründer präsent. Die Chancen sind zwar gestiegen, aber der Weg ist anspruchsvoll. Weltweit gibt es viele Unicorns, die meisten in den USA, China, Indien, England, Deutschland und Südkorea.
Wer ein Unicorn werden möchte, sollte von Anfang an auf folgende Punkte achten:
- Die Vision: Eine klare Vision und ein erfolgreiches, gewinnorientiertes Geschäftsmodell sind entscheidend. Setzen Sie Prioritäten, entwickeln Sie eine starke Unternehmenskultur und definieren Sie Ihre Zielgruppe. Eine brillante Idee und eine detaillierte Benchmarking-Analyse legen den Grundstein.
- Das Produkt: Sie brauchen ein Produkt oder eine Dienstleistung, die einen weltweiten Markt bedienen kann und auf das eine riesige Nachfrage besteht. Es muss neuartig und deutlich besser sein als Bestehendes, idealerweise etwas, das es noch gar nicht gibt. Das Produkt muss von Experten entwickelt und getestet sein und sich problemlos in großen Mengen herstellen lassen.
- Die Finanzierung: Auch die beste Idee braucht Kapital. Überzeugen Sie potenzielle Investoren mit einem soliden Konzept und einem überzeugenden Businessplan. Wenn das Unternehmen wächst und finanziert ist, müssen Sie kontinuierlich an Ihrer Idee arbeiten, sie verbessern und erweitern, um gegenüber Nachahmern bestehen zu können. Konzentrieren Sie sich auf Ihre Hauptkundengruppe und deren Bedürfnisse. Lernen Sie aus Fehlern und optimieren Sie Prozesse.
Es erfordert unermüdlichen Einsatz, aber mit der richtigen Vision, einem überzeugenden Produkt und ausreichender Finanzierung ist der Weg zum Unicorn, wenn auch steinig, prinzipiell möglich.
Deutsche Unternehmen kurz vor dem Unicorn-Status
Einige deutsche Unternehmen stehen kurz davor, die Milliardenbewertung zu erreichen. Dazu gehören (Stand Ende 2018, basierend auf dem Text):
- Sumup (Bargeldloses Bezahlen)
- Lilium (Flugtaxis)
- Tado (Vernetzte Thermostate)
- Research Gate (Wissenschaftler-Netzwerk)
- Infarm (Vertikaler Anbau in Supermärkten)
- EGym (Digitales Fitnessstudio)
- Get your Guide (Online-Buchungsplattform für Touren)
- Ada (Krankheitsdiagnostik per App)
- Sonnen (Batteriespeicher für Photovoltaik)
- Smava (Kreditvergleichsportal)
Fazit
Die Welt der Unternehmen ist vielfältig, von außergewöhnlichen Kulturen wie der von Einhorn, die neue Maßstäbe für Arbeitsmodelle setzen, bis hin zu den schillernden Unicorns, die mit Milliardenbewertungen faszinieren. Der Weg zum Erfolg, sei es durch eine einzigartige Unternehmenskultur oder eine astronomische Bewertung, erfordert Vision, Ausdauer und oft auch das nötige Kapital. Während Deutschland bereits einige bemerkenswerte Unicorns hervorgebracht hat, zeigen Vergleiche mit den USA, dass es noch Herausforderungen in Bezug auf die Gründerkultur, die Risikobereitschaft von Investoren und die Verfügbarkeit von Kapital gibt. Dennoch: Mit der richtigen Idee und dem unermüdlichen Einsatz ist es heute wahrscheinlicher als je zuvor, dass ein Startup den Sprung in die Herde der Einhörner schaffen kann.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was ist ein Unicorn?
Ein Unicorn ist ein Startup-Unternehmen, das eine Marktbewertung von über einer Milliarde US-Dollar erreicht hat, typischerweise vor einem Börsengang oder Exit.
Was ist das Besondere an der Arbeitskultur von Einhorn?
Einhorn zeichnet sich durch eine radikal selbstbestimmte Kultur aus: Mitarbeitende können Urlaub, Arbeitszeit (32-Stunden-Woche) und sogar ihr Gehalt weitgehend selbst bestimmen. Es gibt keine formalen Hierarchien, stattdessen wird auf Schwarmintelligenz und Vertrauen gesetzt.
Warum gibt es in Deutschland weniger Unicorns als in den USA?
Gründe sind unter anderem eine andere Gründerkultur mit geringerer Risikobereitschaft bei Investoren, weniger populäre Gründervorbilder und kulturelle Unterschiede in Bezug auf Arbeitsintensität und die Rolle großer Technologieunternehmen.
Welche deutschen Unternehmen sind bereits Unicorns?
Beispiele sind About You, Auto1 Group, Biontech, Delivery Hero, N26, Zalando und weitere, viele davon in Berlin und München angesiedelt.
Was braucht man, um ein Unicorn zu werden?
Eine klare Vision, ein innovatives Produkt oder eine Dienstleistung mit großem Marktpotenzial und die Fähigkeit, ausreichende Finanzierung zu sichern, sind entscheidende Faktoren.
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