Fornasetti: Mehr als nur Design?

Die Welt des Designs und der dekorativen Künste ist reich an einzigartigen Persönlichkeiten, doch nur wenige haben eine so unverwechselbare und dauerhafte Handschrift hinterlassen wie Piero Fornasetti. Als Maler, Dekorateur, Drucker und Kurator verschmolz er Kunst und Alltag zu Objekten von praktischer Verrücktheit, die bis heute faszinieren. Gegründet in den 1930er Jahren in Mailand, entwickelte sich das Atelier Fornasetti zu einem Synonym für einen Stil, der auf Variation, Vorstellungskraft und einer tiefen Wertschätzung des klassischen Erbes basiert.

Die Ursprünge des Unternehmens liegen in der Kunst-Druckerei, die Piero Fornasetti in den 1930er Jahren in Mailand eröffnete. Die „Stamperia d'Arte Fornasetti“ feierte Erfolge in der Mailänder Kulturszene. Raffaele Carrieri schrieb 1978 in Epoca: „Er war der Erste, der Lithographien von De Chirico in Mailand druckte, schon vor einiger Zeit.“ Dies zeigt Fornasettis frühe Verbindung zur Kunstwelt und seinen Einfluss als Drucker für bedeutende Künstler.

Wer war Piero Fornasetti?

Piero Fornasetti wurde 1913 in Mailand in eine wohlhabende bürgerliche Familie geboren. Entgegen den Erwartungen seines Vaters, der ihn im Familienunternehmen sah, zeigte Piero eine starke künstlerische Neigung. Er schrieb sich 1932 an der Accademia di Brera ein, wurde aber zwei Jahre später wegen Ungehorsams verwiesen. Seine Ausbildung schloss er an der Höheren Schule für Angewandte Kunst in der Industrie am Castello Sforzesco ab.

Fornasetti war eine facettenreiche Figur. Seine Arbeit reicht von der figürlichen Malerei über die Lithographie bis hin zur collagenartigen Innenarchitektur und zum Bühnenbild. In den 1930er Jahren schuf er Grafiken und Magazine und druckte Lithographien und Kataloge für Künstler wie Massimo Campigli, Giorgio de Chirico und Lucio Fontana. Diese frühe Erfahrung im Druckwesen prägte seinen späteren Stil und seine Faszination für die serielle Reproduktion von Bildern.

Während des Zweiten Weltkriegs verbrachte Fornasetti die Jahre 1943 bis 1946 im Schweizer Exil, wo er seine künstlerische Forschung fortsetzte und unter anderem das Bühnenbild für Albert Camus’ Uraufführung von Caligula gestaltete. Diese Zeit nutzte er auch für das Studium des menschlichen Körpers, was sich später in seiner dekorativen Grafikproduktion widerspiegelte.

Die entscheidende Zusammenarbeit mit Gio Ponti

Ein entscheidender Moment für die Gründung des Atelier Fornasetti und den späteren Erfolg war das Treffen zwischen Piero Fornasetti und dem Architekten Gio Ponti in den 1940er Jahren. Ponti erkannte Fornasettis Potenzial und drängte ihn, seine Intuition zu entwickeln: Alltagsgegenstände durch Dekoration zu bereichern und so Kunst in die Häuser der Menschen zu bringen. Diese Idee war der Ursprung des Ateliers und verkörpert das Prinzip der „praktischen Verrücktheit“, bei dem Kreativität und der Nutzen des Objekts in perfekter Harmonie stehen.

Die Zusammenarbeit zwischen Ponti und Fornasetti war äußerst fruchtbar. Gio Ponti sagte einmal: „Wenn eines Tages meine Lebensgeschichte geschrieben wird, muss eines der Kapitel 'Leidenschaft für Fornasetti' heißen.“ Einer der ersten gemeinsamen Erfolge war das Architettura Trumeau, das 1951 auf der IX. Mailänder Triennale ausgestellt wurde. Dieses Möbelstück, das die Interaktion von Modernität und Antike, Rationalismus und Renaissance, Architektur und Möbel, Struktur und Dekoration darstellt, ist heute Teil der Sammlung des Victoria and Albert Museum in London.

Gemeinsam gestalteten sie in den 1950er Jahren Innenräume für das Casino Sanremo, eine gesamte Wohnung, die zum Symbol ihres Stils wurde (Casa Lucano), sowie die Erste-Klasse-Kabinen und Salons von Ozeandampfern wie der Andrea Doria. Diese Projekte zeigten ihr gemeinsames Verständnis für eine moderne Wohnkultur, die Funktionalität mit reicher Dekoration verband.

Die Ikone: Lina Cavalieri und „Tema e Variazioni“

Ab 1952 begann Piero Fornasetti mit der Arbeit an seiner wohl berühmtesten und ikonischsten Serie: „Tema e Variazioni“ (Thema und Variationen). Ausgangspunkt war ein Porträt einer Frau aus einer Zeitschrift vom Ende des 19. Jahrhunderts. Es war das Gesicht von Lina Cavalieri, einer Opernsängerin, die um die Jahrhundertwende lebte und als schönste Frau der Welt gefeiert wurde. Fornasetti sah in ihr einen Archetyp enigmatischer, klassischer Schönheit.

Ausgehend von diesem einen Porträt schuf Fornasetti über vierhundert Variationen. Das Gesicht von Lina Cavalieri erscheint in unzähligen Verkleidungen und Kontexten: verführerisch, geheimnisvoll, erstaunt, mit Schnurrbart, Brille, Krone oder Sturmhaube. Diese Serie wurde im Laufe der Zeit zu einem der Markenzeichen des Fornasetti-Stils.

Die „Tema e Variazioni“-Serie begeisterte ein breites Publikum von Schriftstellern und Intellektuellen. Alberto Moravia widmete den unendlichen Variationen von Lina Cavalieris Gesicht einen Text, und Henry Miller wählte 1971 eine der Dekorationen der Serie als Cover für seine Autobiographie „My Life and Times“. Bis heute wird die Serie vom kreativen Team des Fornasetti-Ateliers weiterentwickelt und auf eine Vielzahl von Objekten angewendet, von Porzellan über Möbel bis hin zu Accessoires.

Herausforderungen und die Fortsetzung unter Barnaba Fornasetti

Ende der 1960er Jahre änderte sich das kulturelle Klima. Der Rationalismus und die Betonung der Funktion gegenüber der Form setzten sich durch, was den dekorativen Ansatz Fornasettis in Frage stellte. Es fiel ihm schwer, sich an die neue Logik des Marktes und der industriellen Produktion anzupassen. Diese Schwierigkeiten führten auch zu einer Abkühlung der Beziehungen zu Gio Ponti, der Fornasetti vorwarf, sich nicht neu erfinden zu können.

Dennoch gab Fornasetti seine Arbeit nicht auf. In den 1970er Jahren eröffnete er zusammen mit Freunden die Galleria dei Bibliofili, wo er eigene Werke sowie die zeitgenössischer Künstler ausstellte und neue Ausdrucksformen suchte. Er begann wieder zu zeichnen, Figuren, Köpfe und Körper, die aus Flaschen oder Früchten geformt waren, sowie abstrakte Kompositionen, die eine Faszination für Schichten und Farbinteraktionen zeigten.

In den frühen 1980er Jahren begann Piero Fornasetti mit seinem Sohn Barnaba zusammenzuarbeiten. Ihre erste gemeinsame Arbeit war die „Archivettura“, ein Auto, das mit einem architektonischen Thema dekoriert war. In dieser Zeit erlangte Fornasettis Ruhm wieder größere Aufmerksamkeit. 1984 eröffnete die Galerie „Themes and Variations“ in London, die dem Werk Fornasettis gewidmet war und das Interesse im Ausland wiederbelebte.

Nach Piero Fornasettis plötzlichem Tod im Jahr 1988 übernahm sein Sohn Barnaba die Leitung des Unternehmens. Barnaba hat das Erbe seines Vaters nicht nur bewahrt, sondern auch erweitert und das Atelier ins 21. Jahrhundert geführt. Er arbeitete an der ersten umfassenden Monographie über Piero Fornasetti, „Designer of Dreams“, und organisierte wichtige Ausstellungen, darunter eine Retrospektive im Victoria and Albert Museum. Unter Barnabas Führung wurden die Produktlinien und die geografische Reichweite des Unternehmens erweitert. Er ging Kooperationen mit der Modewelt ein (z. B. mit Lawrence Steele, Valentino, Comme des Garçons, Louis Vuitton) und arbeitete mit zeitgenössischen Künstlern zusammen. Das Atelier Fornasetti kuratierte auch die Innendekoration prominenter Orte wie des Rizzoli Buchladens in New York und des Teatro dell'Arte in Mailand.

Der unverwechselbare Fornasetti-Stil

Der Fornasetti-Stil ist schwer zu kategorisieren und genau das macht ihn so einzigartig. Piero Fornasetti selbst sah sich als „Erfinder des Tabletts“, weil die Menschen in seiner Zivilisation nicht mehr wussten, wie man ein Glas, eine Botschaft oder ein Gedicht überreichte. Er beschrieb seinen Ansatz als das Nutzen von „schrecklichem gutem Geschmack“ als Schlüssel zur Befreiung der Vorstellungskraft.

Inspiriert wurde Fornasetti einerseits vom italienischen Klassizismus (Piero della Francesca, Giotto, Renaissance-Fresken) und andererseits von der metaphysischen Malerei Giorgio de Chiricos. Diese scheinbar gegensätzlichen Welten verschmelzen in seinen Werken durch sein virtuoses Können.

Fornasettis Stil ist voller Theatralik und eine Einladung an die Vorstellungskraft. Er wollte die Betrachter und Benutzer seiner Objekte auf eine mentale Reise mitnehmen. Seine Ideen entstanden oft aus der zufälligen Gegenüberstellung widersprüchlicher Realitäten oder aus Reflexionen über den Surrealismus. Obwohl er für Möbel und Keramik bekannt ist, sah Fornasetti selbst im Zeichnen den Kern seiner innovativen Kraft. Für ihn lag das Erbe der großen italienischen Tradition im Zeichnen, in der täglichen Praxis des Skizzierens und Kopierens. Strenge und Einfachheit des Stils waren das Gegenmittel gegen den Narzissmus des späten 19. Jahrhunderts, den er ablehnte.

Das Prinzip der Variation ist zentral in Fornasettis Arbeit, am deutlichsten in der „Tema e Variazioni“-Serie. Obwohl er serielle Produktion anstrebte – „Es war schon immer meine Vorstellung, keine Einzelstücke zu machen, sondern Serien von Gegenständen“ – war diese Serialität immer ein Vehikel für unendliche Variationen desselben Themas, was jedem Objekt eine einzigartige Note verleiht.

Ist Fornasetti eine Luxusmarke?

Auch wenn der Begriff „Luxusmarke“ im bereitgestellten Text nicht explizit verwendet wird, legen mehrere Hinweise nahe, dass Fornasetti im High-End-Bereich des Designs und der dekorativen Künste angesiedelt ist und oft als Luxusmarke betrachtet wird:

• Limitierte Serienproduktion: Die Werke werden zwar seriell, aber in limitierter Stückzahl produziert („produced in series but in limited numbers“). Dies ist ein Merkmal vieler Luxusgüter, die Exklusivität betonen.
• Museumspräsenz: Werke wie das Architettura Trumeau sind in bedeutenden Museen wie dem Victoria and Albert Museum in London vertreten. Dies unterstreicht den künstlerischen und historischen Wert.
• Auktionsergebnisse: Das Architettura Trumeau wurde 1998 bei Christie's für fünfzehntausend Dollar versteigert. Solche Preise sind typisch für hochwertige Designobjekte und Kunst.
• High-End-Kooperationen: Die Zusammenarbeit mit Marken wie Valentino, Comme des Garçons und Louis Vuitton, die selbst im Luxussegment tätig sind, positioniert Fornasetti ebenfalls in diesem Bereich.
• Präsenz in Luxuskaufhäusern: Die Eröffnung eines Geschäfts im Harrods in London, einem weltweit bekannten Luxuskaufhaus, ist ein starkes Indiz für die Positionierung als Luxusmarke.
• Kuratorische Projekte an prominenten Orten: Die Gestaltung von Räumen im Rizzoli Buchladen in New York und im Teatro dell'Arte in Mailand zeigt die Einbindung in anspruchsvolle und oft exklusive Umgebungen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Fornasetti aufgrund der limitierten Verfügbarkeit, der hohen Qualität, der künstlerischen Bedeutung, der Präsenz in Museen und bei Auktionen sowie der Assoziation mit anderen Luxusmarken und -orten definitiv dem Luxussegment zugeordnet werden kann, auch wenn das Unternehmen selbst vielleicht eher den künstlerischen Aspekt betont.

Warum ist Fornasetti so berühmt?

Fornasettis Ruhm basiert auf mehreren Faktoren:

• Einzigartiger und wiedererkennbarer Stil: Die Mischung aus Klassizismus, Surrealismus, Humor und Theatralik ist unvergleichlich.
• Die ikonische Lina Cavalieri: Das unendliche Spiel mit dem Gesicht der Opernsängerin in der „Tema e Variazioni“-Serie ist sofort wiedererkennbar und fasziniert bis heute.
• Umfangreiches Werk: Mit über 13.000 geschaffenen Werken hinterließ Piero Fornasetti ein immenses Erbe an Designs und Objekten.
• Verschmelzung von Kunst und Alltag: Fornasettis Ansatz, Kunst auf Alltagsgegenstände anzuwenden, machte seine Arbeit zugänglich und gleichzeitig besonders.
• Zusammenarbeit mit Gio Ponti: Die Partnerschaft mit einem der einflussreichsten Architekten des 20. Jahrhunderts trug maßgeblich zur frühen Bekanntheit bei.
• Fortführung und Innovation durch Barnaba: Die erfolgreiche Weiterführung des Ateliers durch seinen Sohn, die Expansion und die modernen Kooperationen haben die Marke im 21. Jahrhundert relevant gehalten.
• Museumsausstellungen und Publikationen: Retrospektiven und umfassende Monographien sichern Fornasettis Platz in der Kunst- und Designgeschichte.

Fornasetti ist berühmt, weil es ihm gelang, eine Welt der Fantasie und des Traumes in greifbare Objekte zu übersetzen, die sowohl Kunstwerke als auch Gebrauchsgegenstände sind. Sein Werk ist ein Zeugnis für die Kraft der Dekoration und der Vorstellungskraft.

Ausgewählte Werke (Auszug)

Das Fornasetti-Archiv umfasst Zehntausende von Objekten. Hier sind einige Beispiele, die im bereitgestellten Text erwähnt werden:

• Gebogenes Glasschränkchen (entworfen mit Gio Ponti), 1939–40
• Architettura Trumeau (entworfen mit Gio Ponti), 1951
• Farfalle Stuhl und Schreibtisch (dekoriert nach einem Entwurf von Gio Ponti), 1950
• Sole lackierter Stuhl, 1950
• Leopardo Kommode und Palladiana Kommode, frühe 1950er
• Inneneinrichtung der „Casa Lucano“, 1951
• Inneneinrichtung des Ozeandampfers „Andrea Doria“, 1952
• Tema e Variazioni Teller-Serie, ab 1952
• Adamo ed Eva Teller-Set, 1954
• Stanza metafisica (Metaphysischer Raum), 1958

Häufig gestellte Fragen zu Fornasetti

Hier finden Sie Antworten auf einige gängige Fragen zu Fornasetti und seinem Werk:

Wer ist Fornasetti?

Piero Fornasetti (1913–1988) war ein italienischer Designer, Dekorateur, Maler und Drucker, bekannt für seinen einzigartigen Stil, der Kunst und Alltagsobjekte verschmilzt. Heute wird das Atelier von seinem Sohn Barnaba Fornasetti geleitet.

Ist Fornasetti eine Luxusmarke?

Basierend auf der limitierten Produktion, der Präsenz in Museen, hohen Auktionspreisen und Kooperationen mit Luxusmarken wird Fornasetti allgemein dem Luxussegment zugeordnet.

Warum ist Fornasetti so berühmt?

Fornasetti ist berühmt für seinen unverwechselbaren Stil, das ikonische Lina Cavalieri Gesicht in der „Tema e Variazioni“-Serie, sein umfangreiches Werk und die erfolgreiche Fortführung des Ateliers durch seinen Sohn.

Wer ist die Frau auf den Fornasetti-Objekten?

Die häufig dargestellte Frau ist die Opernsängerin Lina Cavalieri (1874–1944). Piero Fornasetti entdeckte ihr Porträt und nutzte es als Ausgangspunkt für seine ikonische Serie „Tema e Variazioni“.

Das Erbe von Fornasetti lebt in den Tausenden von Objekten weiter, die Geschichten erzählen und die Betrachter dazu einladen, die Welt mit einem Hauch von „praktischer Verrücktheit“ und unendlicher Vorstellungskraft zu sehen.

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