Wie hoch ist der Erinnerungswert für GWG?

GWG Abschreibung: Restwert und Erinnerungswert

03/01/2020

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Geringwertige Wirtschaftsgüter (GWG) sind ein fester Bestandteil des Anlagevermögens vieler Unternehmen, von großen Betrieben bis hin zu kleinen Büros und Selbstständigen. Sie umfassen eine Vielzahl von Gegenständen, die für die betriebliche Nutzung erforderlich sind, wie beispielsweise bestimmte Büroartikel, Werkzeuge oder kleine technische Geräte. Die steuerliche Behandlung von GWG bietet die Möglichkeit der sogenannten Sofortabschreibung, was die Liquidität und die Steuerlast positiv beeinflussen kann. Doch was passiert, wenn ein GWG nach seiner primären Nutzung noch einen erheblichen Restwert besitzt? Darf es dann trotzdem sofort abgeschrieben werden? Diese Frage hat in der Praxis immer wieder zu Unsicherheiten geführt. Ein wichtiges Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) hat hierzu eine entscheidende Klärung gebracht.

Wie hoch ist der Erinnerungswert für GWG?
Ein geringwertiges Wirtschaftsgut (GWG) darf nach § 6 Abs. 2 EStG in voller Höhe oder auf einen Erinnerungswert von 1 € abgeschrieben werden, auch wenn bei Beendigung der Nutzung ein nicht unerheblicher Restwert verbleibt.

Die Abschreibung dient dazu, die Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts über dessen Nutzungsdauer steuerlich geltend zu machen. Für Wirtschaftsgüter, die bestimmte Kriterien erfüllen – insbesondere hinsichtlich ihres Werts –, sieht das Einkommensteuergesetz (EStG) eine besondere Regelung vor: die Behandlung als geringwertiges Wirtschaftsgut.

Übersicht

Die Sofortabschreibung von GWG nach § 6 Abs. 2 EStG

Nach § 6 Abs. 2 EStG besteht für geringwertige Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die bestimmte Kriterien erfüllen, die Möglichkeit, die Anschaffungs- oder Herstellungskosten im Jahr der Anschaffung, Herstellung oder Einlage in voller Höhe als Betriebsausgabe abzusetzen. Dies wird als Sofortabschreibung bezeichnet. Alternativ zur vollständigen Abschreibung auf null Euro kann auch ein sogenannter Erinnerungswert von 1 Euro beibehalten werden.

Der Erinnerungswert von 1 Euro hat in erster Linie eine buchhalterische Funktion. Er dient dazu, das Wirtschaftsgut weiterhin im Anlagenverzeichnis oder in der Anlagenbuchhaltung zu führen. Dies kann aus verschiedenen Gründen sinnvoll sein, zum Beispiel zur Dokumentation des Anlagevermögens, zur Nachvollziehbarkeit bei Inventuren oder zur Sicherstellung, dass das Wirtschaftsgut nicht vollständig aus den Büchern verschwindet, solange es sich noch im Unternehmen befindet, auch wenn sein steuerlicher Wert aufgebraucht ist. Die Entscheidung, ob auf null Euro oder auf 1 Euro abgeschrieben wird, liegt im Wahlrecht des Steuerpflichtigen.

Die Sofortabschreibung ist eine erhebliche Vereinfachung gegenüber der linearen oder degressiven Abschreibung über mehrere Jahre. Sie ermöglicht eine sofortige Minderung des steuerpflichtigen Gewinns und damit eine schnelle Steuerersparnis. Diese attraktive Möglichkeit wirft jedoch die Frage auf, wie mit einem potenziellen Restwert verfahren wird, der am Ende der eigentlichen Nutzungsdauer des GWG verbleibt.

Das Problem des Restwerts bei GWG

Viele geringwertige Wirtschaftsgüter haben nach ihrer primären Nutzungsphase noch einen materiellen Wert. Ein Werkzeug kann nach intensivem Gebrauch noch als Gebrauchtgegenstand verkauft werden. Ein alter Drucker kann noch Ersatzteile liefern oder einen Schrottwert haben. Die Frage, die sich stellte, war: Begrenzt dieser verbleibende Restwert die Möglichkeit der Sofortabschreibung? Muss der erwartete Restwert bei der Anschaffung berücksichtigt und von den Anschaffungskosten abgezogen werden, bevor die Sofortabschreibung vorgenommen wird?

Die Finanzverwaltung vertrat teilweise die Auffassung, dass die Sofortabschreibung insoweit begrenzt sein könnte, als ein nicht unerheblicher Restwert zu erwarten ist. Dies hätte bedeutet, dass nur der Betrag abgeschrieben werden darf, der den erwarteten Restwert übersteigt. Diese Sichtweise hätte die praktische Handhabung der GWG-Regelung erheblich erschwert und ihren Vereinfachungszweck untergraben.

Das Klarstellende BFH-Urteil vom 24. Juli 2013 (Az. IV R 1/10)

In diesem Kontext ist das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 24. Juli 2013 (Az. IV R 1/10) von großer Bedeutung. Der BFH hatte über einen Fall zu entscheiden, der die Abschreibung von Zuchtsauen betraf. Die Zuchtsauen wurden mit Herstellungskosten von 180 Euro erfasst und als GWG behandelt. Sie wurden steuerlich in Höhe von 179 Euro abgeschrieben (also auf einen Erinnerungswert von 1 Euro). Nach Beendigung ihres Einsatzes als Zuchtsauen wurden diese Tiere als Schlachtvieh veräußert, wobei ein Preis von etwa 150 Euro pro Stück erzielt wurde. Es verblieb also ein erheblicher Restwert im Vergleich zu den ursprünglichen Herstellungskosten.

Der BFH stellte klar, dass die Sofortabschreibung nach § 6 Abs. 2 EStG in Höhe der Anschaffungs- oder Herstellungskosten grundsätzlich zulässig ist, auch wenn bei Beendigung der Nutzung ein nicht unerheblicher Restwert verbleibt. Die Möglichkeit der Sofortabschreibung wird nach Ansicht des BFH nur dann durch einen späteren Restwert begrenzt, wenn von vornherein eine nachhaltige Nutzung auch als Umlaufvermögen geplant ist.

Im entschiedenen Fall der Zuchtsauen verneinte der BFH das Vorliegen einer solchen von vornherein geplanten nachhaltigen Nutzung als Umlaufvermögen. Die primäre und ausschlaggebende Nutzung der Tiere war ihre Funktion als Zuchtsauen im Anlagevermögen des Landwirts. Der spätere Verkauf als Schlachtvieh war lediglich die Verwertung des verbleibenden Werts nach Beendigung der eigentlichen Nutzung. Es gab keine ursprüngliche Absicht, die Tiere von Anfang an auch oder hauptsächlich als Umlaufvermögen (zum Verkauf als Schlachtvieh) zu halten.

Was bedeutet „von vornherein geplante nachhaltige Nutzung auch als Umlaufvermögen“?

Dieser entscheidende Satz aus dem BFH-Urteil ist der Schlüssel zur Beurteilung, ob ein Restwert die Sofortabschreibung verhindert. Er differenziert zwischen zwei Situationen:

  1. Ein Wirtschaftsgut wird angeschafft, primär für den Einsatz im Anlagevermögen (z. B. als Werkzeug, Büromöbel, Maschine). Nach dem Ende seiner Nutzungsdauer in dieser Funktion wird es verwertet, sei es durch Verkauf, Verschrottung oder anderweitig. Der dabei erzielte Erlös ist ein Ertrag, der steuerpflichtig ist. In diesem Fall, so der BFH, wird die ursprüngliche Sofortabschreibung nicht durch den späteren Restwert begrenzt, da keine „von vornherein geplante nachhaltige Nutzung auch als Umlaufvermögen“ vorlag. Die Verwertung ist eine Folge des Nutzungsendes, keine ursprünglich geplante primäre oder sekundäre Nutzungsart.
  2. Ein Wirtschaftsgut wird angeschafft, und es besteht von Anfang an die Absicht, es nicht nur im Anlagevermögen zu nutzen, sondern es auch nachhaltig als Teil des Umlaufvermögens zu behandeln oder zu einem wesentlichen Teil des späteren Verkaufszwecks zu machen. Dies könnte der Fall sein, wenn beispielsweise ein Gegenstand erworben wird, der kurzzeitig im Betrieb genutzt und dann planmäßig und regelmäßig weiterverkauft wird. Oder wenn die spätere Verwertung als Umlaufvermögen bereits bei der Anschaffung eine der Hauptmotivationen oder ein wesentlicher Teil des Geschäftsmodells darstellt. In solchen Fällen könnte die Sofortabschreibung begrenzt sein, da das Wirtschaftsgut nicht ausschließlich oder primär dem Anlagevermögen zuzurechnen ist.

Das BFH-Urteil macht deutlich, dass die typische Verwertung eines ausgedienten GWG (z. B. Verkauf als Gebrauchtgegenstand, Schrottverkauf) nicht unter die Kategorie der „von vornherein geplanten nachhaltigen Nutzung auch als Umlaufvermögen“ fällt. Der Fokus liegt auf der ursprünglichen Absicht bei der Anschaffung und der primären Nutzungsbestimmung.

Auswirkungen des Urteils auf die Praxis

Das BFH-Urteil hat die Rechtsunsicherheit bezüglich des Restwerts bei der GWG-Abschreibung weitgehend beseitigt. Für die meisten geringwertigen Wirtschaftsgüter in Unternehmen, die primär für den Gebrauch im Betrieb und nicht für den Weiterverkauf angeschafft werden, bedeutet das Urteil:

  • Die Sofortabschreibung nach § 6 Abs. 2 EStG ist grundsätzlich auch dann möglich, wenn ein nicht unerheblicher Restwert am Ende der Nutzungsdauer verbleibt.
  • Es ist nicht erforderlich, einen erwarteten Restwert bei der Anschaffung zu schätzen und von den Anschaffungskosten abzuziehen.
  • Die Abschreibung kann wahlweise auf null Euro oder auf den Erinnerungswert von 1 Euro erfolgen.
  • Entscheidend ist die ursprüngliche Nutzungsabsicht: Diente das Wirtschaftsgut primär dem Anlagevermögen?
  • Ein späterer Verkauf des ausgedienten GWG führt zu einem steuerpflichtigen Ertrag, beeinflusst aber in der Regel nicht rückwirkend die Zulässigkeit der ursprünglichen Sofortabschreibung.

Dieses Urteil ist eine gute Nachricht für Unternehmen, da es die Anwendung der GWG-Regelung vereinfacht und die volle steuerliche Wirkung der Sofortabschreibung sicherstellt.

Erinnerungswert vs. Restwert – Eine Unterscheidung

Es ist wichtig, zwischen dem steuerlichen Erinnerungswert von 1 Euro und dem tatsächlichen Restwert (Verkehrswert, Veräußerungspreis) zu unterscheiden. Der Erinnerungswert ist ein buchhalterischer Kunstgriff, um das Wirtschaftsgut im Anlagenverzeichnis zu behalten, auch wenn es steuerlich voll abgeschrieben ist. Der Restwert ist der tatsächliche Wert, den das Wirtschaftsgut am Ende seiner Nutzung noch hat und für den es gegebenenfalls verkauft werden kann.

Das BFH-Urteil besagt im Kern, dass der tatsächliche Restwert die Möglichkeit, auf den steuerlichen Erinnerungswert von 1 Euro oder auf null Euro abzuschreiben, nicht einschränkt, solange keine entsprechende ursprüngliche Absicht der Nutzung als Umlaufvermögen vorlag.

Anwendungsbeispiele (abgeleitet aus dem Prinzip des BFH-Urteils)

Stellen Sie sich vor, ein Unternehmen kauft einen hochwertigen Bürostuhl, der die Kriterien für ein GWG erfüllt. Dieser Stuhl wird mehrere Jahre intensiv genutzt. Obwohl er am Ende seiner Nutzungsdauer im Büro abgenutzt ist, könnte er noch für einen geringeren Preis verkauft werden (Restwert). Nach dem BFH-Urteil kann der Stuhl trotzdem sofort im Jahr der Anschaffung voll (auf null oder 1 Euro Erinnerungswert) abgeschrieben werden, da die primäre Absicht die Nutzung im Büro (Anlagevermögen) war und nicht der spätere Weiterverkauf.

Ein anderes Beispiel: Ein Handwerker kauft ein spezialisiertes Werkzeug als GWG. Nach einigen Jahren wird das Werkzeug durch ein neues ersetzt. Das alte Werkzeug wird als Gebrauchtwerkzeug verkauft. Der Verkaufserlös ist ein steuerpflichtiger Ertrag. Die ursprüngliche Sofortabschreibung des Werkzeugs wird durch diesen späteren Verkauf und den erzielten Restwert nach dem BFH-Urteil nicht in Frage gestellt, da das Werkzeug primär für die Handwerkstätigkeit (Anlagevermögen) angeschafft wurde.

Vergleich: Abschreibung mit und ohne geplante Verwertung als Umlaufvermögen

SzenarioAnschaffungsabsichtAbschreibung GWGVerbleibender RestwertAuswirkung auf Sofortabschreibung (nach BFH)
Typisches GWGPrimär Nutzung im Anlagevermögen (z.B. Bürostuhl, Werkzeug)Sofortabschreibung auf 0 € oder 1 € ErinnerungswertJa, kann existieren (z.B. durch Verkauf als Gebrauchtware)Keine Begrenzung der Sofortabschreibung, wenn keine von vornherein geplante nachhaltige Nutzung als Umlaufvermögen vorlag.
Wirtschaftsgut mit geplanter WeiterveräußerungNutzung im Anlagevermögen UND von vornherein geplante nachhaltige Nutzung/Verkauf als UmlaufvermögenMöglicherweise Begrenzung der SofortabschreibungJa, ist Teil der ursprünglichen PlanungSofortabschreibung kann begrenzt sein, da das Wirtschaftsgut nicht ausschließlich dem Anlagevermögen zuzurechnen ist. (Dies war im BFH-Fall nicht gegeben, der Fall der Zuchtsauen fiel unter das erste Szenario).

Die Tabelle verdeutlicht, dass der entscheidende Faktor die ursprüngliche Absicht bei der Anschaffung ist. Das BFH-Urteil stärkt die Position, dass die Sofortabschreibung die Regel ist, selbst wenn später ein Restwert anfällt, solange dieser Restwert nicht auf einer von Anfang an geplanten Verwertung als Umlaufvermögen beruht.

Häufig gestellte Fragen zur GWG-Abschreibung und Restwert

Was ist der Erinnerungswert bei GWG?
Der Erinnerungswert ist ein steuerlicher Buchwert von 1 Euro, auf den ein GWG alternativ zur vollständigen Abschreibung auf null Euro abgeschrieben werden kann. Er dient dazu, das Wirtschaftsgut weiterhin im Anlagenverzeichnis sichtbar zu halten.

Muss ich einen erwarteten Restwert bei der GWG-Abschreibung berücksichtigen?
Nach dem BFH-Urteil IV R 1/10 in der Regel nicht. Die Sofortabschreibung ist auch dann möglich, wenn bei Beendigung der Nutzung ein nicht unerheblicher Restwert verbleibt, sofern keine von vornherein geplante nachhaltige Nutzung auch als Umlaufvermögen vorlag.

Was bedeutet „von vornherein geplante nachhaltige Nutzung auch als Umlaufvermögen“?
Dies beschreibt eine Situation, in der bei der Anschaffung des Wirtschaftsguts bereits die Absicht bestand, es nicht nur im Anlagevermögen zu nutzen, sondern es auch planmäßig und regelmäßig als Teil des Umlaufvermögens zu behandeln oder zu verkaufen. Dies ist bei der typischen Verwertung eines ausgedienten Anlageguts in der Regel nicht der Fall.

Was passiert, wenn ich ein voll abgeschriebenes GWG mit Restwert verkaufe?
Der Erlös aus dem Verkauf eines Wirtschaftsguts des Anlagevermögens ist in der Regel als Betriebseinnahme steuerpflichtig. Dies hat jedoch nach dem BFH-Urteil keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Sofortabschreibung, solange keine von vornherein geplante Verwertung als Umlaufvermögen vorlag.

Kann ich jedes Wirtschaftsgut als GWG behandeln und sofort abschreiben?
Nein, nur Wirtschaftsgüter, die die gesetzlichen Kriterien für GWG erfüllen, insbesondere hinsichtlich ihres Werts. Die genauen Wertgrenzen können sich ändern und sollten aktuell geprüft werden. Das Prinzip des BFH-Urteils bezieht sich auf Wirtschaftsgüter, die *als* GWG qualifizieren.

Zusammenfassung

Das BFH-Urteil IV R 1/10 hat eine wichtige Klarstellung für die steuerliche Behandlung von geringwertigen Wirtschaftsgütern gebracht. Es bestätigt, dass die Möglichkeit der Sofortabschreibung nach § 6 Abs. 2 EStG grundsätzlich auch dann besteht, wenn bei Beendigung der Nutzung des GWG ein nicht unerheblicher Restwert verbleibt. Die einzige wesentliche Einschränkung besteht, wenn von vornherein eine nachhaltige Nutzung auch als Umlaufvermögen geplant war. Da dies bei den meisten typischen GWG, die für die betriebliche Nutzung im Anlagevermögen erworben werden (wie Büroartikel, Werkzeuge etc.), nicht der Fall ist, können diese auch bei erwartbarem Restwert voll (auf null oder 1 Euro Erinnerungswert) abgeschrieben werden. Dies vereinfacht die steuerliche Praxis erheblich und stärkt die Attraktivität der GWG-Regelung für Unternehmen.

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