19/08/2017
Wenn man an Japan denkt, kommt einem unweigerlich das kunstvolle Falten von Papier in den Sinn – bekannt als Origami. Oft werden dabei sofort die farbenfrohen Kraniche assoziiert, die man in Japan an vielen Orten findet, von Gedenkstätten bis hin zu kleinen Aufmerksamkeiten in Unterkünften. Fast jeder Japaner kennt zumindest die Grundlagen des Origami, und viele können den ikonischen Kranich falten. Doch Origami ist weit mehr als nur eine einfache Bastelei; es ist eine tief verwurzelte Kunstform mit reicher Geschichte und vielfältiger Bedeutung.

Das Wort Origami selbst setzt sich aus den japanischen Begriffen „ori“ (falten) und „kami“ (Papier) zusammen und bedeutet wörtlich „gefaltetes Papier“. Was auf den ersten Blick wie eine simple Beschäftigung für Kinder wirken mag, hat in Japan eine viel tiefere Dimension. Jede gefaltete Figur kann eine spezifische Bedeutung tragen und als Symbol für eine bestimmte Botschaft stehen.
Die Ursprünge und historische Entwicklung von Origami
Die Geschichten rund um die Entstehung des Origami reichen weit zurück. Es wird vermutet, dass die Technik des Papierfaltens bereits um 100 v. Chr. in China entwickelt wurde, etwa zur Zeit der Erfindung des Papiers. Es dauerte jedoch noch rund 700 Jahre, bis das Wissen um die Papierherstellung und die damit verbundenen Falttechniken von China nach Japan gelangten. Ob Origami zu diesem frühen Zeitpunkt bereits als Kunstform anerkannt war, ist nicht eindeutig geklärt.
Da die Herstellung von Papier in jener Zeit sehr aufwendig und teuer war, galt Papier als ein wahres Luxusgut. Entsprechend waren die frühen Origami-Techniken und deren Anwendung auf besondere Anlässe beschränkt, insbesondere auf religiöse Zeremonien. Sie waren somit nur einer kleinen Elite zugänglich. Ein eindrucksvolles Zeugnis dieser frühen rituellen Nutzung findet sich noch heute an Shinto-Schreinen, wo weiße Origami-Papierstreifen heilige Bereiche markieren oder zu Wedeln für Zeremonien gebunden werden.
Mit der Zeit wurde die Papierherstellung erschwinglicher und Papier zugänglicher für breitere Bevölkerungsschichten. Dies eröffnete völlig neue Möglichkeiten für die Nutzung und die Entwicklung von Origami. Mehr Menschen konnten sich Papier leisten und begannen, sich für die Kunst des Faltens zu interessieren. Dieses wachsende Interesse beflügelte die Kreativität und führte zur Entwicklung zahlreicher neuer Techniken und Figuren. Bereits im 18. Jahrhundert erschien das erste Buch mit Anleitungen für verschiedene Origami-Figuren, was die zunehmende Popularität und Verbreitung dieser Kunstform unterstreicht.
In den letzten Jahrhunderten, insbesondere aber in jüngerer Zeit, hat die Origami-Kunst einen regelrechten Boom erlebt. In Japan sind über die vergangenen dreihundert Jahre hinweg unzählige Techniken und Ideen entstanden. Heutige Origami-Bücher enthalten nicht nur Anleitungen für klassische zeremonielle Praktiken, sondern auch eine riesige Vielfalt an Faltmodellen. Von den weltberühmten Kranichen über kunstvoll gefaltete Blumen bis hin zu einer breiten Palette von Tierfiguren – die Möglichkeiten scheinen endlos. Origami ist heute eine international anerkannte Kunstform, die sowohl Erwachsene als auch Kinder begeistert. Es ist eine kreative und meditative Beschäftigung, bei der jeder, vom blutigen Anfänger bis zum erfahrenen Profi, Freude finden und beeindruckende Werke erschaffen kann. Das Ausprobieren bekannter Formen oder das Erfinden völlig neuer Kreationen kann dabei äußerst fesselnd sein. Es heißt, dass der „Großmeister des Origami“, Yoshizawa Akira (1911–2005), zehntausende Faltfiguren entwickelt hat. Er revolutionierte die Techniken, um lebensechtere Modelle zu schaffen, und verbesserte das System zur Dokumentation von Faltanleitungen, was seine Bücher zu wegweisenden Werken für Origami-Enthusiasten weltweit machte.
Die symbolische Bedeutung von Origami-Figuren
Neben dem reinen Vergnügen, das das Falten und Erschaffen der kunstvollen Figuren bereitet, ist Origami in hohem Maße mit symbolischen Bedeutungen verknüpft. Viele Origami-Modelle repräsentieren bestimmte Botschaften oder Eigenschaften. Eine Friedenstaube symbolisiert Frieden, ein Pinguin steht oft für Treue, und ein Schmetterling kann Liebe darstellen. Oftmals kann das Falten einer spezifischen Figur eine tiefere Bedeutung vermitteln als Worte allein.
Der Origami-Kranich und die Geschichte von Sadako
Die wohl bekannteste und emotional tiefgründigste Origami-Figur ist der Papierkranich (orizuru). Auch wenn er nicht exakt dem Aussehen des Mandschurenkranichs entspricht, ist seine Symbolik in Japan unmissverständlich: Der Kranich steht für ein langes Leben, Glück und Unsterblichkeit. Mandschurenkraniche können in freier Wildbahn ein beachtliches Alter erreichen, was zu dieser symbolischen Bedeutung beigetragen hat.
Der Origami-Kranich ist untrennbar mit der tragischen, aber inspirierenden Geschichte von Sadako Sasaki verbunden. Sadako war ein junges Mädchen, das als Kleinkind den Atombombenabwurf auf Hiroshima im Jahr 1945 überlebte. Jahre später erkrankte sie an Leukämie, einer Folge der radioaktiven Strahlung. Während ihres Krankenhausaufenthalts hörte sie von einem alten japanischen Volksglauben: Wer 1.000 Origami-Kraniche faltet, dem wird ein Wunsch erfüllt. Sadako begann, mit unendlicher Hoffnung und Entschlossenheit, ihre 1.000 Kraniche zu falten. Ihr Wunsch war es, wieder gesund zu werden. Ihre Kraniche symbolisierten auch ihre Sehnsucht nach Frieden und Harmonie für die Welt und dienten als Gedenken an alle Opfer des Krieges. Trotz ihres Mutes und ihrer Bemühungen erlag Sadako im Alter von nur 12 Jahren ihrer Krankheit.

Sadakos Geschichte machte den Papierkranich weltweit zu einem Symbol für die unschuldigen Opfer des Krieges und für den Frieden. Ihre Mitschüler setzten das Falten von Kranichen in ihrem Gedenken fort. Noch heute wird Sadakos Geschichte erzählt, und Schüler aus aller Welt, insbesondere in Japan, falten Tausende von Papierkranichen. Diese werden oft zu langen Ketten aufgefädelt und am Kinderfriedensdenkmal im Friedenspark von Hiroshima niedergelegt – ein bewegendes Zeichen der Erinnerung und der Hoffnung auf eine friedlichere Zukunft.
Durch Sadakos Geschichte hat der Origami-Kranich eine noch tiefere und universellere Bedeutung erhalten. Er ist heute eine der am weitesten verbreiteten Origami-Figuren weltweit. Es ist unwahrscheinlich, ein Origami-Buch zu finden, das nicht mindestens eine Anleitung zum Falten des berühmten Kranichs enthält.
Der HIROSHIMA ORIZURU TOWER
In unmittelbarer Nähe der Atombombenkuppel in Hiroshima steht der HIROSHIMA ORIZURU TOWER, dessen Name wörtlich „Faltkranich-Turm“ bedeutet. Dieses Gebäude ist eng mit der Symbolik des Kranichs und der Friedensbotschaft verbunden. Von der offenen Dachterrasse des 14-stöckigen Turms bietet sich ein beeindruckender Panoramablick über die Stadt Hiroshima und auf das Friedensdenkmal. Bei gutem Wetter kann man sogar bis zum Berg Misen auf Miyajima und auf die Burg Hiroshima sehen.
Wie der Name schon sagt, spielt der Origami-Kranich im Turm eine zentrale Rolle. Außen zieren Kranichmotive die Fassade. Im Inneren haben Besucher die Möglichkeit, an Workshops teilzunehmen und das Falten von Origami-Kranichen zu erlernen. Ob mit oder ohne Anleitung, jeder kann seinen eigenen Kranich falten und ihn als persönliches Zeichen des Friedens in eine hohe Glaswand werfen, die sich über mehrere Stockwerke erstreckt – die „Kranich-Wand“. Dieser Akt des Einwerfens symbolisiert die Weitergabe der Friedensbotschaft.
Der Turm bietet einen Rundweg, der sowohl auf- als auch abwärts genommen werden kann. Die Wände der einzelnen Stockwerke sind mit Kunstwerken verschiedener Künstlergenerationen gestaltet, die sich mit dem allgegenwärtigen Thema des Friedens in Hiroshima auseinandersetzen. Selbst das Café im Turm greift die Origami-Thematik in seiner Ausstattung auf und bietet spezielle Leckereien an.
Origami selber falten: Der Einstieg in die Kunst
Der Wunsch, Origami selbst auszuprobieren, wird oft durch Geschichten wie die von Sadako oder einen Besuch in Japan geweckt. Der Einstieg ist denkbar einfach: Man benötigt im Grunde nur ein quadratisches Stück Papier. Traditionell wird Origami ohne den Einsatz von Schere oder Klebstoff praktiziert, auch wenn moderne Falttechniken manchmal von dieser Regel abweichen.
Es gibt viele Wege, Origami zu lernen. Man kann sich von erfahrenen Origami-Künstlern anleiten lassen, Video-Tutorials online nutzen oder sich Anleitungsbücher für japanisches Origami besorgen. Jeder kann sich schrittweise in diese Kunst einarbeiten und seine ganz eigenen Kunstwerke erschaffen. Dabei ist es unerheblich, ob man mit simplen Figuren beginnt oder sich an komplexere Kreaturen wagt; jede gefaltete Figur ist ein kleines Kunstwerk für sich.
Das passende Papier für Origami
Für Anfänger ist es hilfreich, sich zunächst mit dem Material vertraut zu machen. Spezielles Origami-Papier ist in vielen Geschäften erhältlich. Es zeichnet sich durch seine exakt quadratische Form und oft durch schöne Muster oder Farben aus. Für das Falten ist es ideal, wenn das Papier dünn, aber dennoch eine gewisse Robustheit aufweist, damit es die zahlreichen Faltungen aushält, ohne zu reißen. Auf den Packungen von extra hergestelltem Origami-Papier findet sich häufig bereits eine einfache Faltanleitung, zumindest für den berühmten Kranich.
Wer sich noch unsicher bei den Falttechniken ist oder Inspiration für Figuren sucht, findet in Büchern über japanisches Origami oder in Online-Tutorials wertvolle Hilfe. Eine authentische Quelle sind natürlich auch die Japaner selbst – wie erwähnt, kann fast jeder Japaner den Kranich falten und ist oft bereit, dieses Wissen zu teilen.

Das Origami Museum in Tokyo
Für ernsthaft Interessierte oder einfach Neugierige ist ein Besuch des Origami Kaikan in Tokyo empfehlenswert. Dieses kleine Museum bietet eine faszinierende Einblicke in die Welt des Origami. Es gibt eine kleine Ausstellung mit beeindruckenden Origami-Kunstwerken, einen Laden, in dem man Faltbücher (oft auch in englischer Sprache) und eine riesige Auswahl an speziellem Origami-Papier kaufen kann, sowie regelmäßig angebotene Workshops. Im Origami Kaikan kann man nicht nur die Kunst betrachten, sondern durch die Teilnahme an einem Workshop selbst Teil der Origami-Community werden und direkt von Profis lernen.
Häufig gestellte Fragen zu Origami
Hier finden Sie Antworten auf einige häufig gestellte Fragen rund um die Kunst des Origami:
Was bedeutet das Wort Origami?
Origami ist ein japanisches Wort, das sich aus „ori“ (falten) und „kami“ (Papier) zusammensetzt. Es bedeutet wörtlich übersetzt „gefaltetes Papier“.
Woher stammt Origami?
Die Ursprünge des Papierfaltens werden in China vermutet, kurz nach der Erfindung des Papiers um 100 v. Chr. Die Technik gelangte später nach Japan, wo sie sich zu der heute bekannten Kunstform entwickelte.
Welche Bedeutung hat der Origami-Kranich?
Der Papierkranich (orizuru) ist eine der bekanntesten Origami-Figuren und hat in Japan eine tiefe symbolische Bedeutung. Er steht für ein langes Leben (oft 1000 Jahre), Glück, Hoffnung und Frieden. Die Geschichte von Sadako Sasaki hat seine Bedeutung als Symbol für Frieden und die Opfer des Krieges weltweit bekannt gemacht.
Braucht man spezielles Papier für Origami?
Für Origami kann grundsätzlich jedes quadratische Papier verwendet werden. Spezielles Origami-Papier ist jedoch oft dünner, robuster und in exakten Quadraten mit schönen Mustern erhältlich, was das Falten erleichtert und die Ergebnisse verbessert.
Kann jeder Origami lernen?
Ja, absolut. Origami ist eine Kunstform, die für Menschen jeden Alters zugänglich ist. Es gibt Anleitungen für Anfänger, die mit einfachen Faltungen beginnen, und komplexere Modelle für Fortgeschrittene. Geduld und Übung sind hilfreich, aber jeder kann die Grundlagen erlernen und Freude am Falten finden.
Muss man Schere oder Klebstoff verwenden?
Die traditionelle Form des Origami, wie sie oft gelehrt wird, kommt vollständig ohne Schere und Klebstoff aus. Die Figuren werden ausschließlich durch Falten geformt. Moderne Falttechniken können jedoch gelegentlich Hilfsmittel einbeziehen.
Fazit
Origami ist mehr als nur das Falten von Papier. Es ist eine faszinierende Kunstform mit einer langen Geschichte, tiefen kulturellen Wurzeln und einer reichen Symbolik. Vom einfachen Kranich, der für Hoffnung und Frieden steht, bis hin zu komplexen dreidimensionalen Modellen bietet Origami unzählige Möglichkeiten für kreativen Ausdruck und meditative Konzentration. Es ist eine zugängliche Kunst, die jeder erlernen kann, und die die Verbindung zwischen Material, Technik und Bedeutung auf einzigartige Weise vereint. Ob als Hobby, als Ausdruck einer Botschaft oder als Brücke zur japanischen Kultur – die Kunst des Papierfaltens fasziniert Menschen auf der ganzen Welt.
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