25/09/2019
Die Vorstellung, mit einer einfachen Vogelfeder elegante Buchstaben und historische Dokumente zu Papier zu bringen, mag heute fast romantisch erscheinen. Doch über viele Jahrhunderte hinweg war genau das die gängige Praxis. Die Rede ist vom Federkiel, einem Schreibgerät, das das Aussehen von Schriftstücken und die Verbreitung von Wissen maßgeblich prägte. Er war mehr als nur ein Werkzeug; er war ein Symbol für Bildung und eine Verbindung zur Natur, bevor modernere Schreibgeräte seine Rolle übernahmen.

Der Federkiel hat eine reiche Geschichte und faszinierende Details in seiner Beschaffenheit und Vorbereitung, die ihn zu einem einzigartigen Objekt in der Welt des Bürobedarfs und der Schreibkultur machen.
- Was genau ist ein Federkiel?
- Eine Reise durch die Zeit: Die Geschichte des Federkiels
- Die Kunst der Auswahl und Vorbereitung
- Die Kunst des Schreibens: Wie man einen Federkiel führt
- Der Wandel: Vom Federkiel zur Metallfeder
- Mehr als nur ein Werkzeug: Die Symbolik des Federkiels
- Vergleich: Federkiel vs. Metallfeder (historisch)
- Häufig gestellte Fragen zum Federkiel
Was genau ist ein Federkiel?
Ein Federkiel ist im Grunde der zentrale, hohle Teil einer großen Vogelfeder, der sogenannte Steg. Man unterscheidet den oberen Teil, den Federschaft (Rhachis), und den unteren, dickeren und hohlen Teil, die Federspule (Calamus) oder Spindel. Die Spule, die direkt in der Haut des Vogels saß, besitzt zwei kleine Öffnungen, die als oberer und unterer Nabel bekannt sind. Bei vielen Vogelarten findet sich oberhalb des oberen Nabels zudem eine kleinere Nebenfeder (Hypopenna), die aber für die Nutzung als Schreibgerät meist irrelevant war und entfernt wurde.
Die Struktur des Kiels, insbesondere die hohle Spule und der festere Schaft, machte ihn nach entsprechender Bearbeitung zu einem idealen Werkzeug, um Tinte aufzunehmen und dosiert wieder abzugeben.
Eine Reise durch die Zeit: Die Geschichte des Federkiels
Bevor der Federkiel zum dominierenden Schreibwerkzeug in Europa wurde, nutzten die Menschen das Schilfrohr (Calamus). Dieses war in vielen Regionen verfügbar, aber in der Handhabung und Haltbarkeit dem Federkiel oft unterlegen. Ab dem 4. Jahrhundert nach Christus begann sich die Vogelfeder durchzusetzen und ersetzte das Schilfrohr nach und nach. Dieser Übergang markierte einen wichtigen Schritt in der Entwicklung der Schreibkultur und ermöglichte feinere Schriftzüge und eine größere Vielfalt an Kalligraphiestilen.
Federkiele waren die unangefochtenen Meister der Schrift über mehr als tausend Jahre. Sie wurden für das Verfassen von Büchern, Dokumenten, Briefen und künstlerischen Werken verwendet. Am häufigsten wurden für Schreibzwecke die kräftigen Federn von Gänsen verwendet, weshalb der Begriff Gänsekiel weit verbreitet ist. Aber auch Federn von Schwänen, Truthähnen oder Raben konnten je nach Verfügbarkeit und gewünschter Federeigenschaft genutzt werden.
Ihre Vorherrschaft dauerte, bis Ende des 18. Jahrhunderts die ersten Metallfedern aufkamen und schließlich die Vorherrschaft übernahmen. Dies läutete das Ende der Ära des Federkiels als alltägliches Schreibgerät ein, auch wenn seine Bedeutung für die Geschichte des Schreibens unbestritten bleibt.
Die Kunst der Auswahl und Vorbereitung
Nicht jede Feder eignet sich zum Schreiben, und die Vorbereitung eines Federkiels war ein Handwerk für sich, das Wissen und Geschick erforderte. Traditionell wählte man die äußeren fünf Schwungfedern von einem Flügel, da diese die beste Form, Größe und Stabilität aufwiesen. Diese Federn sind kräftig und besitzen eine natürliche Krümmung, die beim Schreiben eine Rolle spielt.
Interessanterweise war die Wahl des Flügels für die Handhabung wichtig: Linkshänder bevorzugten Federn vom rechten Flügel, während Rechtshänder Federn vom linken Flügel nutzten. Der Grund liegt in der natürlichen Krümmung der Feder, die spiegelbildlich an den beiden Flügeln verläuft und die Ergonomie beim Schreiben beeinflusst. Eine Feder vom linken Flügel krümmt sich für einen Rechtshänder angenehm vom Körper weg und ermöglicht eine bessere Sicht auf die Schrift.
Bevor es ans Zuschneiden der eigentlichen Schreibspitze ging, musste die weiche Befiederung des Kiels, die beim Schreiben stören würde, sorgfältig mit einem Messer oder durch Abziehen entfernt werden. Anschließend war der Kiel bereit für den entscheidenden Prozess des Härtens.
Die Vorbereitung, oft als "Härten" bezeichnet, machte den Kiel widerstandsfähiger und langlebiger für die Nutzung. Dazu schnitt man die Spitze zunächst schräg an und entfernte das Mark im Inneren der Spule oder schob es zurück. Anschließend weichte man die Kiele in Wasser ein, manchmal für mehrere Tage, bis sie eine weiße, fast durchscheinende Farbe annahmen. Dieser Schritt diente dazu, die organische Substanz im Kiel aufzuweichen.
Der entscheidende Schritt folgte im heißem Sand oder heißer Asche: Die eingeweichten Kiele wurden in einen Behälter mit sehr heißem Sand gesteckt. Der Sand musste heiß genug sein, dass die Kiele zischten, aber nicht rissen oder verkohlten. Sie blieben darin, bis ihre Spitzen transparent wirkten. Dieser Prozess entzog der Feder Feuchtigkeit und machte das Material fester und weniger spröde, was für den späteren präzisen Zuschnitt der Spitze unerlässlich war. Zum Schluss wurde die dünne Haut auf der Oberfläche des Kiels mit einem scharfen Messer abgekratzt und abgewischt. Erst nach diesem umfassenden Prozess war der Kiel bereit für den finalen Zuschnitt der Schreibspitze mit einem sehr scharfen Messer, dem sogenannten Federmesser oder Penknife.
Die Kunst des Schreibens: Wie man einen Federkiel führt
Das Schreiben mit einem Federkiel unterscheidet sich grundlegend vom Umgang mit modernen Schreibgeräten wie Kugelschreibern oder Füllfederhaltern. Der zugeschnittene Kiel besitzt eine gespaltene Spitze, die als Reservoir für Tinte dient. Die Qualität des Schnitts bestimmte maßgeblich, wie gut die Feder Tinte aufnehmen und den Tintenfluss regulieren konnte.
Um zu schreiben, muss die Spitze des Kiels regelmäßig in ein Tintenfass getaucht werden. Die Tinte sammelt sich in der gespaltenen Spitze und fließt durch Kapillarwirkung auf das Papier, wenn Druck ausgeübt wird. Die Strichstärke konnte durch den Winkel, in dem die Feder gehalten wurde, und vor allem durch den ausgeübten Druck variiert werden. Mit Übung konnte man feine Haarlinien und breite Schattenstriche erzeugen, was dem Schriftbild eine besondere Ästhetik verlieh – man denke an die Meisterwerke der Kalligraphie.
Allerdings war der Tintenvorrat in der Federspitze begrenzt. Nach nur wenigen Worten oder Sätzen, manchmal sogar schon nach einzelnen Buchstaben bei sehr breiten Strichen, musste die Feder erneut in die Tinte getaucht werden. Dies erforderte einen anderen Schreibfluss und Rhythmus als beim modernen Schreiben und erklärt, warum historische Manuskripte oft Absätze von ungleichmäßiger Länge aufweisen oder Tintenkleckse vorkommen konnten, wenn zu viel Tinte auf einmal aufgenommen wurde oder die Feder unachtsam geführt wurde.
Die Handhabung eines Federkiels erforderte Geduld, Übung und Geschicklichkeit. Die Spitze konnte relativ schnell abnutzen, insbesondere auf rauem Papier oder bei intensivem Gebrauch. Daher musste die Spitze des Kiels regelmäßig mit dem Federmesser nachgeschnitten und neu geformt werden. Dies war eine alltägliche Aufgabe für Schreiber und Gelehrte, vergleichbar mit dem Anspitzen eines Bleistifts heute, aber deutlich anspruchsvoller. Die Fähigkeit, eine Feder gut zuzuschneiden, war fast so wichtig wie die Fähigkeit, gut zu schreiben, da ein schlecht zugeschnittener Kiel das Schreiben extrem erschweren konnte.
Der Wandel: Vom Federkiel zur Metallfeder
Über viele Jahrhunderte hinweg waren Federkiele das unersetzliche Werkzeug für Schreiber, Künstler und Gelehrte. Sie ermöglichten die Verbreitung von Wissen, die Niederschrift von Gesetzen, die Korrespondenz und die Schaffung von Kunstwerken. Doch mit dem Fortschritt der Technik suchte man nach haltbareren und wartungsärmeren Alternativen. Die ständige Notwendigkeit des Nachschneidens und die begrenzte Haltbarkeit der Spitze waren klare Nachteile im Zeitalter der Industrialisierung.
Ende des 18. Jahrhunderts begannen die Entwicklungen, die schließlich zur Metallfeder führten. Anfangs waren diese Metallfedern, oft aus Stahl, noch teuer, rostempfindlich und nicht immer von gleichbleibender Qualität. Doch im Laufe des 19. Jahrhunderts verbesserten sie sich rapide in der Herstellung und wurden erschwinglicher. Eingesetzt in einen Federhalter, boten sie den enormen Vorteil, dass die Schreibspitze nicht ständig nachgeschnitten werden musste. Dies war ein revolutionärer Fortschritt für die Massenproduktion von Schriftstücken, die schnellere Korrespondenz und die breitere Verfügbarkeit von Schreibmaterialien. Die Metallfeder, und später der Füllfederhalter mit integriertem Tintenreservoir, verdrängte den Federkiel allmählich aus dem Alltag. Dennoch verschwand der Federkiel nie ganz und wird heute von Liebhabern und professionellen Kalligraphen geschätzt.
Mehr als nur ein Werkzeug: Die Symbolik des Federkiels
Obwohl der Federkiel als alltägliches Schreibgerät weitgehend abgelöst wurde, hat er nichts von seiner symbolischen Bedeutung verloren. Er steht bis heute für Bildung, Wissenschaft, Literatur, Poesie und das geschriebene Wort. Er erinnert uns an eine Zeit, in der das Schreiben ein Handwerk war, das Geduld, Konzentration und eine Verbindung zum Material erforderte.
Die berühmte Redewendung "Die Feder ist mächtiger als das Schwert", oft dem Schriftsteller Edward Bulwer-Lytton zugeschrieben, bringt die immense Macht und den Einfluss zum Ausdruck, den Worte und Ideen, niedergeschrieben mit der Feder, über physische Gewalt haben können. Ein Dokument, ein Vertrag, ein Gesetz oder ein überzeugendes Argument, niedergeschrieben mit der Feder, konnte und kann die Welt nachhaltiger verändern als jede Waffe.
Der Federkiel erinnert uns an die Ursprünge der modernen Schriftkultur und ist ein faszinierendes Relikt aus einer Zeit, in der jedes geschriebene Wort mit Bedacht und Sorgfalt zu Papier gebracht wurde.
Vergleich: Federkiel vs. Metallfeder (historisch)
Merkmal | Federkiel | Metallfeder |
---|---|---|
Material | Vogelfeder (meist Gans) | Metall (Stahl, Gold, Bronze) |
Haltbarkeit der Spitze | Muss oft nachgeschnitten werden (nutzt schnell ab) | Deutlich haltbarer, kein Nachschneiden nötig |
Tintenaufnahme | Gering (nur in der gespaltenen Spitze, häufiges Eintauchen nötig) | Initial oft geringer als Füllfederhalter, aber haltbarer; Reservoir im Füllfederhalter |
Vorbereitung vor Nutzung | Umfangreich (Reinigen, Härten, Zuschneiden) | Kaum (Einsetzen in Halter, Reinigen) |
Flexibilität der Spitze | Kann je nach Federart und Schnitt sehr flexibel sein (für Strichstärke) | Variiert je nach Schliff und Material, oft weniger flexibel als gut zugeschnittener Kiel |
Verbreitung | Dominant in Europa vom 4. bis späten 18. Jh. | Dominant in Europa ab dem 19. Jh. |
Häufig gestellte Fragen zum Federkiel
Kann man heute noch mit Federkielen schreiben?
Ja, absolut. Auch wenn sie nicht mehr das alltägliche Schreibgerät sind, werden Federkiele von Künstlern, Kalligraphen und Liebhabern historischer Schreibmethoden weiterhin verwendet. Man kann hochwertige, gebrauchsfertige Federkiele kaufen oder mit etwas Übung und den richtigen Federn selbst herstellen und vorbereiten.
Welche Art von Tinte wird für Federkiele verwendet?
Historisch wurden oft Eisengallustinten oder Rußtinten verwendet. Heute gibt es spezielle Kalligraphietinten, die für Federkiele geeignet sind. Diese Tinten sind oft pigmentierter und haben eine andere Viskosität als moderne Füllhaltertinten. Wichtig ist, keine modernen Füllhaltertinten zu verwenden, da diese oft zu dünn sind oder Bestandteile enthalten, die den organischen Kiel beschädigen könnten oder nicht gut haften.
Wie lange hält ein Federkiel?
Die Haltbarkeit hängt stark von der Nutzung, der verwendeten Tinte, der Qualität des Papiers und der Sorgfalt bei der Pflege ab. Da die Spitze abnutzt, muss sie regelmäßig mit einem scharfen Federmesser nachgeschnitten werden. Ein gut gepflegter Kiel kann über viele Schriftstücke hinweg halten, aber die Spitze wird immer wieder neu geformt werden müssen, bis der Kiel durch das häufige Kürzen zu kurz wird, um noch komfortabel gehalten zu werden.
Ist das Schreiben mit einem Federkiel schwierig?
Es erfordert Übung und Geduld. Man muss lernen, die Feder im richtigen Winkel zu halten, den Druck zu variieren, um die gewünschte Strichstärke zu erzielen, und die Tinte korrekt aufzunehmen, ohne zu klecksen oder die Feder zu überladen. Es ist definitiv langsamer als das moderne Schreiben, aber viele empfinden es als eine sehr meditative und befriedigende Tätigkeit, die eine tiefere Verbindung zum Akt des Schreibens herstellt.
Sind alle Vogelfedern zum Schreiben geeignet?
Nein. Typischerweise werden die großen Schwungfedern von größeren Vögeln verwendet, da sie kräftig genug sind und eine ausreichend große Spule haben. Gänsefedern waren historisch am gebräuchlichsten in Europa. Auch Schwanen-, Truthahn- oder Rabenfeder konnten verwendet werden. Die Federn müssen auch die richtige Struktur und Krümmung aufweisen.
Was ist ein Federmesser?
Ein Federmesser ist ein kleines, sehr scharfes Messer, das speziell zum Zuschneiden und Nachschneiden der Spitze eines Federkiels verwendet wurde. Es war ein unverzichtbares Werkzeug für jeden, der regelmäßig mit Federkielen schrieb.
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