18/08/2020
Die Geschichte des deutschen Einzelhandelsriesen Real, der vielen Kunden über Jahrzehnte als Anlaufstelle für den Wocheneinkauf diente, ist eine Chronik von Wachstum, Umstrukturierung und letztlich dem Niedergang. Ursprünglich aus der Metro-Gruppe hervorgegangen, durchlief das Unternehmen zahlreiche Phasen, die von Expansion durch Übernahmen bis hin zu wiederholten Verkäufen und Restrukturierungen geprägt waren. Das Ende des Geschäftsbetriebs im März 2024 markiert das letzte Kapitel dieser langen Entwicklung.

Real entstand im Jahr 1992 aus der Zusammenführung verschiedener Supermarkt- und Warenhausketten, die zuvor regional erfolgreich waren. Namen wie divi, basar, Continent, esbella und real-kauf bildeten den Grundstein für das neue SB-Warenhausformat. In den folgenden Jahren wuchs Real durch die Integration weiterer Ketten wie massa, massa-Mobil, Meister, BLV, Huma und Suma. Ein bedeutender Schritt war 1998 die Übernahme von 94 Allkauf- und 20 Kriegbaum-Warenhäusern, was die Marktposition von Real erheblich stärkte und die Zahl der Standorte auf über 150 erhöhte. Sogar international expandierte das Unternehmen kurzzeitig, etwa mit einer ersten Filiale in der Türkei im Jahr 1998.
Anfang der 2000er-Jahre sah sich Real mit wirtschaftlichen Herausforderungen konfrontiert. Die Metro-Gruppe startete das Kostensenkungsprogramm „Strategie 2006“, um die Profitabilität zu steigern. Dies führte unter anderem zur Zusammenführung von Verwaltungsaufgaben mit der Extra Verbrauchermärkte GmbH. Ein weiterer wichtiger, wenn auch komplexer Schritt war im Jahr 2006 die Übernahme von 85 deutschen Walmart-Filialen. Während einige dieser Standorte in das Real-Netz integriert wurden, mussten andere geschlossen werden, insbesondere dort, wo bereits Real-Märkte in unmittelbarer Nähe existierten. Diese Phase war auch von betrieblichen Herausforderungen geprägt, wie etwa Tarifauseinandersetzungen und Streiks, bei denen die Gewerkschaft Verdi für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen kämpfte.
Restrukturierungen und Verkauf des Auslandsgeschäfts
Nach der Integration der Walmart-Filialen folgte eine Phase fortlaufender Restrukturierungen und Verkäufe. Ab 2006 wurden bundesweit Real- und Extra-Märkte geschlossen oder an Wettbewerber wie Kaufland veräußert. Eine bemerkenswerte Entwicklung war die Übernahme der Extra-Kette durch die Rewe Group im Jahr 2008, wodurch der Name Extra vom Markt verschwand und die Standorte auf Rewe umgeflaggt wurden. Im selben Jahr kündigte die Metro-Gruppe an, rund 40 der damals 349 Real-Warenhäuser aufgrund von Verlusten abstoßen zu wollen.
Auch das internationale Geschäft wurde schrittweise aufgegeben. 2013 übernahm die französische Handelskette Auchan die Real-Märkte in Mittel- und Osteuropa, darunter Polen, Rumänien, Russland und die Ukraine. Rund 91 Supermärkte und 13 Einkaufszentren wechselten für 1,1 Milliarden Euro den Besitzer, wovon rund 20.000 Mitarbeiter betroffen waren. Nur wenig später, im Juni 2014, verkaufte die Metro auch das türkische Real-Geschäft an Hacı Duran Beğendik. Mit dem Verkauf der zwölf türkischen SB-Warenhäuser und der Unternehmenszentrale konzentrierte sich Real fortan vollständig auf den deutschen Markt.
Parallel zu diesen Entwicklungen im stationären Handel wagte Real auch Schritte in den Online-Handel. Anfang 2016 übernahm Real das Shopping-Portal Hitmeister.de, das später unter der Domain real.de firmierte. Dieses Portal entwickelte sich zu einer Handelsplattform, auf der verschiedene Händler ihre Waren anbieten konnten – ähnlich dem Modell von Amazon oder später Kaufland.de. Im Zuge der Aufspaltung der ehemaligen Metro Group im Jahr 2016 gingen die Real-Aktivitäten auf die heutige Metro AG über.

Abspaltung und Verkauf an SCP
Die Jahre ab 2018 waren von weiteren Umwälzungen geprägt. Nach gescheiterten Tarifverhandlungen mit ver.di kündigte Real an, das Geschäft in die real GmbH abzuspalten, um nicht mehr an die Flächentarifverträge gebunden zu sein und „wettbewerbsfähige Entgeltstrukturen“ zu schaffen. Im September 2018 gab die Metro AG offiziell bekannt, Real verkaufen zu wollen. Nach Verhandlungen mit verschiedenen Interessenten, darunter ein Konsortium um die Redos-Gruppe, fiel die Wahl schließlich auf ein Konsortium aus X+Bricks und der SCP Group. Der Kaufvertrag wurde im Februar 2020 abgeschlossen. Die SCP Group, eine unabhängige Beteiligungsgesellschaft, übernahm Real mit dem Ziel, das Unternehmen abzuwickeln und die Märkte an Wettbewerber zu veräußern oder zu schließen.
Nach der Übernahme durch SCP begann die Zerschlagung von Real. Im April 2020 wurde bekannt, dass Edeka, Kaufland und Globus insgesamt 157 Warenhäuser übernehmen wollten. Der Plan sah vor, dass Kaufland 88, Edeka 53 und Globus 16 Märkte eingliedern würden. Dieser Prozess sollte sich über etwa 18 Monate erstrecken. Im Juni 2020 wurde der Verkauf an SCP Retail Investments formell abgeschlossen, und Real gehörte nun zu 100 Prozent dieser luxemburgischen Gesellschaft. Kurz darauf wurde auch der Verkauf des Online-Shops real.de an die Schwarz-Gruppe (Muttergesellschaft von Kaufland und Lidl) bekannt gegeben, der später in kaufland.de integriert wurde.
Die Übernahmen durch die Wettbewerber wurden schrittweise von den Kartellbehörden genehmigt. Im Dezember 2020 erhielten Kaufland (bis zu 92 Filialen) und Globus (bis zu 24 Filialen) grünes Licht. Die Genehmigung für Edeka (bis zu 72 Filialen) folgte im Januar 2021. Ab Februar 2021 begann die bundesweite Umflaggung der ersten Real-Filialen auf die neuen Betreiber. Zahlreiche weitere Märkte wurden in dieser Phase geschlossen. Das ursprüngliche Ziel von SCP war es, die komplette Abwicklung von Real bis Ende Juni 2022 abzuschließen. Die verbliebenen Märkte, die nicht an Wettbewerber übergeben wurden, stellten ihren Betrieb am 25. Juni 2022 ein.
mein real: Kurzes Intermezzo und finale Abwicklung
Entgegen der ursprünglichen Absicht, alle Märkte abzuwickeln, gab es Anfang 2022 eine überraschende Wendung. Die verbliebenen 63 Real-Märkte wurden an das Family Office Tischendorf und ein Managementteam unter der Leitung von Karsten Pudzich verkauft. Das Ziel war, die Gruppe unter dem Namen mein real neu zu strukturieren und langfristig zu erhalten. Die Real-Zentrale in Düsseldorf wurde aufgelöst, und eine Nachfolgegesellschaft sollte Teile der Aufgaben übernehmen. Auch eine Einkaufskooperation mit Rewe wurde vom Bundeskartellamt genehmigt.
Dieses Intermezzo währte jedoch nicht lange. Ende April 2023 wurde bekannt, dass die SCP Group Gespräche über eine erneute Übernahme führte. Am 9. Mai 2023 erwarb SCP die Gesellschaft tatsächlich erneut. Trotz kurzzeitiger Rückkehr zum alten Slogan „Einmal hin. Alles drin.“ und Bemühungen um operative Verbesserungen, zeigte sich die wirtschaftliche Lage als kritisch. Im August 2023 kündigte SCP an, die mein real-Filialen erneut verkaufen zu wollen. Die Situation eskalierte schnell: Am 29. September 2023 stellte das Unternehmen einen Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung für die verbliebenen 62 Märkte mit über 5000 Mitarbeitern.
Das Insolvenzverfahren führte zu einem finalen Verteilungsprozess. Im Oktober und November 2023 meldete die Rewe Group die Übernahme von insgesamt 17 Märkten an, die vom Bundeskartellamt genehmigt wurden. Kaufland übernahm drei weitere Märkte, und Edeka einen. Einige geplante Übernahmen scheiterten jedoch aufgrund von Problemen mit den Vermietern der Standorte. Die verbleibenden Märkte, für die kein Abnehmer gefunden werden konnte, wurden zur Schließung vorgesehen. Mit der Abgabe von 14 Standorten an Wettbewerber und der Schließung aller übrigen 49 Standorte am 23. März 2024 stellte die real GmbH ihren Geschäftsbetrieb endgültig ein.

Real im Vergleich: Supermarkt oder SB-Warenhaus?
Die Frage, ob Real ein Supermarkt oder ein Discounter war, lässt sich anhand des Geschäftsmodells beantworten, das im vorliegenden Text beschrieben wird. Real wurde als großflächiger SB-Warenhäuser betrieben, mit Verkaufsflächen von je 5.000 bis 15.000 Quadratmetern und bis zu 80.000 verschiedenen Artikeln im Sortiment. Dieses breite Angebot, das neben Lebensmitteln auch Non-Food-Artikel wie Elektronik, Haushaltswaren und Textilien umfasste, unterscheidet Real sowohl von klassischen Supermärkten (die sich stärker auf Lebensmittel konzentrieren) als auch von Discountern (die ein deutlich kleineres Sortiment zu niedrigeren Preisen anbieten).
Im Ranking der deutschen Supermarktketten, das eine Momentaufnahme des Marktes darstellt, in dem Real operierte (beachten Sie, dass Real den Betrieb eingestellt hat), wurde Real als großflächiger Selbstbedienungsmarkt gelistet. Es positionierte sich mit einem Marktanteil von rund 1 % in der unteren Hälfte der Top 10, deutlich hinter den großen Supermarktketten wie Edeka und Rewe sowie den Discounter-Giganten Aldi und Lidl. Sein Konzept ähnelte eher dem von Vollsortimentern wie Kaufland oder Globus, wenn auch mit geringerem Marktanteil und letztlich weniger Erfolg bei der langfristigen Etablierung.
Was geschah mit den verbliebenen mein real Märkten?
Nach der Insolvenzverfahren-Anmeldung im September 2023 wurde intensiv nach Lösungen für die noch bestehenden 62 mein real-Märkte gesucht. Das Ergebnis dieses Prozesses, der bis Anfang 2024 lief, war die Übertragung eines Teils der Standorte an Wettbewerber und die Schließung der restlichen Märkte. Insgesamt konnten für 18 Standorte neue Betreiber gefunden werden. Diese Märkte wurden oder werden an die Rewe Group, Kaufland und Edeka übertragen, um den Geschäftsbetrieb dort fortzuführen und möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten.
Die an die Rewe Group übertragenen oder zur Übertragung vorgesehenen Märkte umfassen laut dem vorliegenden Text die Standorte in Böblingen, Braunschweig (bereits übertragen), Coesfeld, Ettlingen, Erfurt, Euskirchen, Gosen, Hagen, Irxleben, Mühlheim-Kärlich, Salzgitter-Thiede, Schwentinental, Übach-Palenberg und Wernigerode. Kaufland übernahm die Märkte in Hallstadt, Stuhr und Wülfrath. Edeka übernahm den Markt in Traunstein. Einige dieser Übernahmen standen unter dem Vorbehalt der Zustimmung von Vermietern und dem Bundeskartellamt.
Für die verbleibenden 49 mein real-Märkte konnte trotz intensiver Bemühungen kein Abnehmer gefunden werden. Diese Standorte stellten ihren Geschäftsbetrieb bis spätestens zum 23. März 2024 ein. Die Schließungen sind eine direkte Folge der schwierigen wirtschaftlichen Lage der real GmbH und des Insolvenzverfahrens. Die Geschäftsführung betonte die Bemühungen, diesen Übergang für die Mitarbeiter so respektvoll und fair wie möglich zu gestalten, unter anderem durch Gespräche über Interessenausgleich und Sozialplan.

Häufig gestellte Fragen
Wann hat Real endgültig geschlossen?
Die letzten mein real-Märkte, für die kein Abnehmer gefunden wurde, stellten ihren Geschäftsbetrieb am 23. März 2024 ein.
Wer hat die Real-Märkte übernommen?
Die Märkte, die nicht geschlossen wurden, wurden von verschiedenen Wettbewerbern übernommen, hauptsächlich von der Rewe Group, Kaufland und Edeka. Die SCP Group hatte Real zuvor gekauft und die Abwicklung eingeleitet.
War Real ein Supermarkt oder Discounter?
Real wurde als großflächiger SB-Warenhäuser betrieben. Mit seinem breiten Sortiment, das über reine Lebensmittel hinausging, unterschied es sich sowohl von klassischen Supermärkten als auch von Discountern.
Was ist mit den Mitarbeitern passiert?
Für die Mitarbeiter der an Wettbewerber übertragenen Märkte konnte eine Zukunftsperspektive gesichert werden. Für die Mitarbeiter der geschlossenen Märkte wurden Gespräche über Interessenausgleich und Sozialplan geführt, um die Übergangsphase so fair wie möglich zu gestalten.
Die Geschichte von Real ist exemplarisch für die Dynamik und den harten Wettbewerb im deutschen Einzelhandel. Von einer durch Fusionen entstandenen großen Kette entwickelte sich Real über Jahrzehnte weiter, passte sich an, verkaufte Teile seines Geschäfts und wechselte mehrfach den Besitzer. Trotz der zwischenzeitlichen Umbenennung in mein real und Versuchen einer Neuausrichtung konnte das Unternehmen nicht nachhaltig stabilisiert werden. Das Insolvenzverfahren führte schließlich zum endgültigen Aus für die Marke Real im deutschen Einzelhandel. Die Standorte leben teilweise unter neuen Namen von Wettbewerbern weiter, während andere endgültig geschlossen wurden.
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