20/05/2021
Lippenstift ist weit mehr als nur ein kleines Stäbchen aus Wachs, Öl und Farbpigmenten. Schön verpackt und handlich, entfaltet er seine wahre Bedeutung erst auf den Lippen seiner Trägerin. Er hat die Kraft, eine Frau zu verwandeln, ihr Selbstbewusstsein zu stärken und sie zu etwas Besonderem zu machen. Seit jeher gelten rote Lippen als Symbol für Gesundheit und Fruchtbarkeit, ein zeitloses Zeichen weiblicher Präsenz.

Schon im frühen 19. Jahrhundert nutzten Frauenrechtlerinnen wie Elizabeth Cady Stanton und Charlotte Perkins Gilman leuchtend roten Lippenstift, um für das Wahlrecht zu demonstrieren – ein frühes Symbol der Emanzipation. In der Wirtschaft spricht man sogar vom sogenannten „Lipstick effect“: In Zeiten drohender Rezession steigen angeblich die Verkaufszahlen für Lippenstift, da Frauen mit dieser relativ erschwinglichen Anschaffung ihre Stimmung heben wollen. Doch wo werden diese kleinen Wunderwerke der Kosmetik eigentlich hergestellt, insbesondere die der renommierten Marke Yves Saint Laurent?
- Das unerwartete Herz der YSL Lippenstiftproduktion
- Ein Blick zurück: Die Anfänge in Lassigny
- Vom Labor in die Fabrik: Die Entstehung einer Farbe
- Das Herzstück der Produktion: Der Fonduar
- Qualitätssicherung: Ein kritischer Schritt
- Von der Masse zum Einzelstück: Abfüllung und Verpackung
- Häufig gestellte Fragen zur YSL Lippenstiftproduktion
Das unerwartete Herz der YSL Lippenstiftproduktion
Die Verbindung zwischen Lippenstift und Wirtschaftslage zeigt sich auch in einer eher unscheinbaren Region Frankreichs, der Picardie. Eineinhalb Autostunden von der glanzvollen Modemetropole Paris entfernt, inmitten von Ziegelsteinhäuschen und ländlicher Idylle, liegt das Produktionszentrum für die weltbekannten Lippenstifte von Yves Saint Laurent. Dieser Ort, Lassigny, mag auf den ersten Blick nicht zum glamourösen YSL-Kosmos passen, doch hier schlägt das industrielle Herz der Luxusmarke.
Ein Blick zurück: Die Anfänge in Lassigny
Es fällt schwer, sich vorzustellen, wie Yves Saint Laurent selbst und sein Lebensgefährte Pierre Bergé in den Siebzigerjahren die schlechten Straßen nach Lassigny zur Fabrik befuhren. Doch einige der Arbeiter erinnern sich noch an ihre Besuche. Caroline Negre, seit vier Jahren wissenschaftliche Leiterin der Luxusmarke, berichtet, dass Monsieur Laurent sehr menschenscheu war und sich mehr für Design als für industrielle Prozesse interessierte. Die Anlage in Lassigny wurde 1966 eröffnet. Zu dieser Zeit hatte Yves Saint Laurent gerade den durch die Einberufung zum Algerienkrieg ausgelösten Nervenzusammenbruch hinter sich und wurde bereits wieder von der Modepresse für seine ikonischen Designs wie die Mondrian-Kleider und den Frauensmoking gefeiert.
Das heutige „Beauty, Research & Industry-Center“ wird immer noch als historische Fabrik bezeichnet, auch wenn es sich um einen 45.000 Quadratmeter großen Lamellenkomplex mit Metallzaun handelt, der sich fast schüchtern in die Wiesen duckt. Das berühmte Logo des Designers findet man hier erst auf der Rückseite einer der Hallen – ein Zeichen dafür, dass hier die Arbeit im Vordergrund steht, nicht der äußere Schein.
Das erste Produkt, das in Lassigny vom Band lief, war der Damenduft „Y“. Heute werden hier nicht nur YSL-Produkte hergestellt, sondern auch solche für andere Luxusmarken der L’Oréal-Gruppe, zu der die Kosmetiklinie von Saint Laurent seit 2008 gehört, darunter Giorgio Armani und Viktor & Rolf.
Vom Labor in die Fabrik: Die Entstehung einer Farbe
Die Kreation eines neuen Lippenstifts beginnt Monate vor der eigentlichen Produktion. Lloyd Simmonds, der leitende Make-up-Artist bei YSL, arbeitet in den Werkstätten in Chevilly südlich von Paris. Seine Inspirationen – Zeichnungen, Stoffe, Fotografien – bringt er den Wissenschaftlern dort nahe. Sogar Schmucksteine oder farbige Gläser dienen als Vorlagen für Farbe, Glanz oder Transparenz. Für die Serie „Vernis à Lèvres“ (Lippenlack) wurde beispielsweise der Überzug von Smarties untersucht, um die gewünschte glänzende Oberfläche zu erzielen.
Was folgt, ist ein aufwendiger Prozess im Labor. Die sogenannten Coloristen mischen die gewünschten Farbtöne aus einem Bausatz von nur zwölf verschiedenfarbigen Pigmenten. Diese wenigen Grundfarben ermöglichen eine erstaunliche Vielfalt aller erdenklichen Rot-, Orange-, Pink-, Fuchsia-, Braun- und Nudenuancen – ähnlich wie ein Künstler seine Farben auf der Palette mischt.
Nach der Abnahme durch Simmonds und das Marketing-Team werden die exakten Formeln in einem kleinen Labor nochmals zerlegt und mithilfe von Invitro-Tests auf Hautverträglichkeit geprüft. Erst wenn sichergestellt ist, dass die Formel unbedenklich ist und in großer Menge produziert werden kann, gelangt sie in die Produktionshallen von Lassigny.
Das Herzstück der Produktion: Der Fonduar
Im Werk in Lassigny riecht man den Lippenstift, bevor man ihn sieht. Besucher tragen Schutzkittel und -brillen. Hinter den Metalltüren wird es laut. Eine gigantische Schmelzmaschine aus Edelstahl thront auf einem Podest: der „Fonduar“. Hier werden die Inhaltsstoffe für 80 Kilogramm Lippenstift vier Stunden lang erhitzt und angerührt. Es ist eine Emulsion aus Wasser, Ölen und Wachsen. YSL verwendet hauptsächlich Candelilla-Wachs, das aus einem nordmexikanischen Busch gewonnen wird.
Bevor die Pigmente in den Großmixer kommen, werden sie mit verschiedenen Schimmer- und Glanzpartikeln versetzt. Diese Partikel sind kleiner als ein Staubkorn und sorgen später für den perlmuttartigen Schimmer, den feuchten Glanz oder die intensive Farbe auf den Lippen, ganz nach dem Wunsch der Kundin. Synthetisch hergestellte Glimmerpartikel, die mithilfe von Nanotechnologie ummantelt werden können, reflektieren das Licht besonders gut.
Qualitätssicherung: Ein kritischer Schritt
Lippenstift ist ein sehr intimes Make-up-Produkt. Er kommt einer Frau näher als Cremes oder Düfte, wird auf den Mund aufgetragen, hinterlässt Spuren, wird geküsst, und kleine Teile werden verschluckt. Hautverträglichkeit und Farbtreue sind daher von größter Bedeutung. Die zertifizierten Farbpigmente werden von Rohstoff-Experten bei YSL ein zweites Mal streng kontrolliert. Erst dann werden sie mit Glanzpartikeln, Vitaminen, Konservierungsstoffen und Anti-Oxidantien vermengt und kommen in die Schmelzmaschine.
Anne-Charlotte Peru, seit fünf Jahren im Produktionsteam in Lassigny, überwacht am Fonduar das sogenannte Colour Management – einen der sensibelsten Produktionsschritte. „Für ein farbechtes Ergebnis ist die Dauer der Erhitzung entscheidend“, erklärt sie. „Ebenso wichtig sind die exakte Temperatur und die Abkühlungs-Phase der Paste.“ Jede Charge wird geprüft. Wenn die Masse nach etwa vier Stunden fertig ist, füllt Peru eine kleine Menge zur Farbkontrolle in eine Lippenstift-Form und lässt sie aushärten. Dann vergleicht sie die Farbe auf ihrem Unterarm mit einem Referenzmuster. Auch der Schmelzpunkt wird in einem speziellen Gerät gemessen, um die Stabilität des Lippenstifts bei unterschiedlichen Temperaturen sicherzustellen.

Von der Masse zum Einzelstück: Abfüllung und Verpackung
Im Werk von Lassigny wird schnell klar, dass die Produkte, die in Parfümerien als kleine Kostbarkeiten verkauft werden, das Ergebnis von Massenanfertigung sind. In der gewaltigen „Filling & Packaging“-Halle stehen Hunderte von Abfüllmaschinen. Arbeiter in weißen Kitteln kontrollieren Bildschirme und justieren Anzeigen. Dazwischen stapeln sich Kartons mit Kosmetika auf riesigen Paletten.
Jeden Tag werden hier beeindruckende 30.000 Lippenstifte allein für YSL hergestellt. Acht Kilogramm Paste ergeben etwa 1500 Lippenstifte. Pro Minute entstehen zwischen 30 und 40 Lippenstifte. Doch trotz der Massenproduktion ist der Aufwand für jedes einzelne Produkt enorm.
Die Fünf-Kilo-Blöcke aus dem Fonduar werden wieder verflüssigt und in eine 13 Meter lange Produktionskette eingespeist. Automatische Spritzen pumpen die Paste in Silikonpatronen – Negative der fertigen Lippenstifte, inklusive schräger Spitze und YSL-Logo. Zangen fischen die ausgekühlten Stifte heraus und montieren sie auf die goldenen Drehgehäuse. Fehlerhafte Modelle werden aussortiert. Roboterarme setzen die Deckel auf.
Am Ende der Kette werden die fertigen Lippenstifte mechanisch in die goldglänzenden Kartonagen verpackt und zu je 71 Stück in Kartons gestapelt. Die fertigen Paletten gelangen ins Lager und von dort per Lastwagen, Flugzeug oder Schiff an ihren Bestimmungsort: auf die Münder der Frauen weltweit, für die jeder einzelne Lippenstift etwas sehr Besonderes ist. Der gesamte Prozess, von der Rohstoffauswahl über die präzise Mischung im Fonduar bis zur automatisierten Verpackung, zeigt die Verschmelzung von traditionellem Handwerk, wissenschaftlicher Genauigkeit und modernster Technologie.
Häufig gestellte Fragen zur YSL Lippenstiftproduktion
F: Wo genau wird der Yves Saint Laurent Lippenstift hergestellt?
A: Die Hauptproduktionsstätte für Yves Saint Laurent Lippenstifte befindet sich in Lassigny, in der Region Picardie in Frankreich.
F: Gehört die Fabrik nur YSL?
A: Nein, die Fabrik gehört zur L’Oréal-Gruppe, zu der die Kosmetiklinie von Saint Laurent seit 2008 gehört. Dort werden auch Produkte für andere Luxusmarken der Gruppe hergestellt, wie Giorgio Armani und Viktor & Rolf.
F: Welche Rohstoffe werden für die Lippenstifte verwendet?
A: Die Lippenstifte bestehen aus einer Emulsion von Wasser, Ölen und Wachsen. YSL verwendet hauptsächlich Candelilla-Wachs. Dazu kommen Farbpigmente, Schimmer- und Glanzpartikel, Vitamine, Konservierungsstoffe und Anti-Oxidantien.
F: Wie wird die Farbe jedes Lippenstifts kontrolliert?
A: Die Farbkontrolle, das sogenannte Colour Management, ist ein sehr sensibler Schritt. Die exakte Mischung, Erhitzungsdauer, Temperatur und Abkühlungsphase der Paste sind entscheidend. Jede Charge wird von Experten wie Anne-Charlotte Peru geprüft, indem Proben mit Referenzmustern verglichen werden.
F: Wie viele Lippenstifte werden täglich in Lassigny produziert?
A: In der Fabrik in Lassigny werden täglich etwa 30.000 Lippenstifte allein für Yves Saint Laurent hergestellt.
F: Warum ist die Qualitätskontrolle so streng?
A: Lippenstift ist ein Produkt, das direkt auf die Lippen aufgetragen und teilweise verschluckt wird. Daher sind Hautverträglichkeit, Farbtreue und Stabilität (z.B. Schmelzpunkt) extrem wichtig, um die Sicherheit und Zufriedenheit der Kundinnen zu gewährleisten.
Die Produktion eines Yves Saint Laurent Lippenstifts ist ein komplexer Prozess, der Präzision, Qualität und wissenschaftliches Know-how erfordert. Vom ersten kreativen Impuls über die sorgfältige Auswahl der Inhaltsstoffe und die präzise Mischung der Pigmente im Fonduar bis hin zur automatisierten Abfüllung und Verpackung – jeder Schritt trägt dazu bei, das luxuriöse Produkt zu schaffen, das Frauen weltweit schätzen.
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