Sind die Tagebücher von Anne Frank echt?

Annes Tagebuch: Mehr als nur Papier

02/03/2020

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In der Welt des Büromaterials und der Schreibwaren gibt es Objekte, die über ihre bloße Funktion hinauswachsen und zu stillen Zeugen der Geschichte werden. Eines der berühmtesten Beispiele ist zweifellos das Tagebuch von Anne Frank. Es ist nicht nur ein Buch mit leeren Seiten, das darauf wartet, gefüllt zu werden, sondern ein tief bewegendes Dokument, das die Gedanken, Gefühle und Erlebnisse eines jungen Mädchens während einer der dunkelsten Zeiten der Menschheit festhält. Betrachten wir dieses besondere Stück Papier und wie es zum Leben erweckt wurde.

Warum gibt es zwei Versionen von Anne Franks Tagebuch?
Ab 20. Mai 1944 schrieb Anne einen großen Teil ihres Tagebuchs noch einmal neu. Sie wollte den überarbeiteten Text nach dem Krieg als Buch über ihre Zeit im Hinterhaus veröffentlichen.

Die Geschichte beginnt mit einem ganz gewöhnlichen Gegenstand: einem Notizbuch. Genauer gesagt, einem rot-karierten Poesiealbum. Anne Frank erhielt dieses Album am 12. Juni 1942 zu ihrem dreizehnten Geburtstag. Es war ein Geschenk, das sie sich sehnlichst gewünscht hatte und sogar selbst in einer Buchhandlung ausgesucht hatte. Für Anne war dieses Notizbuch von Anfang an mehr als nur leeres Papier. Es wurde ihr Vertrauter, ihr Gegenüber in einer zunehmend isolierten Welt. Sie begann sofort, es als ihr Tagebuch zu nutzen. Die Freude am Schreiben in dieses neue Buch war offensichtlich. In einem späteren Eintrag reflektierte sie: „Ich habe bis jetzt eine große Stütze an dir gehabt.“ Dieses Zitat unterstreicht die therapeutische und stärkende Wirkung des Schreibens auf Papier für Anne.

Anfangs schrieb Anne ihre Gedanken und Erlebnisse noch in der Wohnung der Familie am Merwedeplein in Amsterdam nieder. Doch die Umstände änderten sich dramatisch. Als ihre Schwester Margot am 5. Juli 1942 einen Aufruf für ein Arbeitslager erhielt, wusste die Familie, dass sie schnell handeln musste. Sie waren bereits jüdisch und die Verfolgung durch die Nationalsozialisten verschärfte sich zusehends. Die Eltern, Otto und Edith Frank, hatten gemeinsam mit vertrauten Helfern bereits ein Versteck vorbereitet. In der Nacht vom 6. Juli 1942 zog die Familie in das Hinterhaus der Prinsengracht 263 in Amsterdam ein. Dieses Versteck, das später als „Het Achterhuis“ (Das Hinterhaus) bekannt werden sollte, wurde für über zwei Jahre ihr Zuhause und ihr Gefängnis.

Übersicht

Vom Poesiealbum zu losen Blättern: Annes Schreibdrang

Annes Drang zu schreiben war immens. Das anfängliche Poesiealbum war ihr erster Begleiter, aber ihre Notizen füllten die Seiten schnell. Bis Dezember 1943 war das rot-karierte Album komplett beschrieben. Doch das hielt Anne nicht davon ab, weiterzuschreiben. Sie setzte ihre Aufzeichnungen in zwei Schulheften fort und nutzte schließlich auch etwa 300 lose Blätter. Diese Vielfalt an Schreibmaterialien – vom gebundenen Album über Schulhefte bis hin zu einzelnen Blättern – zeigt, wie wichtig das Festhalten ihrer Gedanken für sie war, unabhängig von der Form des Papiers. Jedes Stück Papier wurde zur Fläche für ihre Reflexionen und Beobachtungen. Die Umstellung auf lose Blätter mag auch die Notwendigkeit widergespiegelt haben, verfügbares Material zu nutzen und die Aufzeichnungen möglicherweise leichter verstecken oder organisieren zu können.

Im Versteck war das Leben eng und entbehrungsreich. Eine Woche nach den Franks zog die Familie van Pels hinzu: Hermann, Auguste und ihr Sohn Peter. Im November 1942 folgte der Zahnarzt Fritz Pfeffer, der sich das Zimmer mit Anne teilen musste. Diese acht Menschen lebten auf engstem Raum, ständig in Angst entdeckt zu werden. In dieser beklemmenden Situation wurde das Schreiben für Anne zu einem entscheidenden Ventil. Es erlaubte ihr, ihre Gefühle auszudrücken, ihre Mitbewohner zu beschreiben und die Geschehnisse der Außenwelt zu verarbeiten, soweit sie diese über Radio und ihre Helfer mitbekam.

Die Adressatin ihrer Gedanken: Wer war Kitty?

Viele Einträge in Annes Tagebuch beginnen mit der Anrede „Liebe Kitty …“. Diese persönliche Ansprache lässt den Leser glauben, Kitty sei eine echte Freundin gewesen. Doch Kitty war eine literarische Figur. Anne benannte sie nach einer Person aus der Buchreihe „Joop ter Heul“ von Cissy van Marxveldt, einer niederländischen Schriftstellerin. Die Bücher handelten von einer Gruppe von Freundinnen und waren teilweise in Briefform verfasst. Anne hatte diese Bücher bereits vor dem Untertauchen gelesen. Indem sie ihre Tagebucheinträge als Briefe an Kitty formulierte, schuf sie eine imaginäre Gesprächspartnerin. Dies gab ihrem Schreiben Struktur und vielleicht auch das Gefühl, sich jemandem anvertrauen zu können, auch wenn diese Person nur in ihrer Vorstellung existierte.

Tatsächlich richtete Anne ihre Einträge nicht ausschließlich an Kitty. Sie schrieb auch an andere Figuren aus der Buchreihe, wie Pop, oder an reale Freundinnen wie Jacqueline van Maarsen. Manchmal erfand sie auch einfach Personen, an die sie schrieb. Diese Praxis, verschiedene Adressaten für ihre Gedanken auf Papier zu wählen, zeigt Annes Kreativität und ihren Wunsch, ihre Erlebnisse aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten oder einfach verschiedene „Gespräche“ zu führen. Das Papier wurde zur Bühne für diese inneren Dialoge.

Zwei Fassungen auf Papier: Das Tagebuch als Romanprojekt

Es gibt nicht nur eine einzige Version von Annes Tagebuch. Zunächst schrieb sie einfach für sich selbst, ihre persönlichen Gedanken und Beobachtungen auf die Seiten des Poesiealbums, der Hefte und der losen Blätter. Doch das änderte sich im März 1944. Die Untergetauchten im Hinterhaus hörten eine Radioansprache des niederländischen Ministers Gerrit Bolkestein, der aus dem Londoner Exil sprach. Er rief die Bevölkerung dazu auf, alle Dokumente, die die NS-Besatzungszeit betrafen, aufzubewahren, damit nach dem Krieg die Geschichte und das Leid der Menschen dokumentiert werden könnten. Diese Ansprache inspirierte Anne. Sie erkannte den historischen Wert ihrer eigenen Aufzeichnungen und begann, ihr Tagebuch systematisch zu überarbeiten. Ihr Ziel war es nun, ihre Erlebnisse als Roman mit dem Titel „Het Achterhuis“ zu veröffentlichen.

Für diese Überarbeitung nutzte sie erneut Papier und Stift. Sie schrieb Teile neu, fügte Passagen hinzu oder strich andere. Diese zweite Fassung, die sie gezielt für eine mögliche Veröffentlichung erstellte, unterscheidet sich in Stil und Inhalt von ihrer ursprünglichen, spontaneren Form. Die Erstveröffentlichung des Tagebuchs am 25. Juni 1947 basierte auf einer dritten Version. Annes Vater, Otto Frank, der als einziges Mitglied der Familie den Holocaust überlebte, stellte diese Fassung zusammen. Er kombinierte Teile aus Annes ursprünglichem Tagebuch und ihrer überarbeiteten zweiten Fassung. Diese verschiedenen Versionen auf Papier zeugen von Annes Entwicklung als Schriftstellerin und ihrem bewussten Wunsch, ihre Geschichte mit der Welt zu teilen.

Die Rettung der Papiere

Die Existenz von Anne Franks Tagebuch heute verdanken wir dem Mut und der Umsicht der Helfer im Hinterhaus, insbesondere Miep Gies. Nachdem die acht Untergetauchten am 4. August 1944 von den Nationalsozialisten verhaftet und deportiert worden waren, begab sich Miep Gies in das nun leere Hinterhaus. Sie sammelte viele persönliche Gegenstände der Untergetauchten ein, darunter Fotos, Kleidung und – entscheidend – Annes Tagebücher und alle losen Papiere, die sie finden konnte. Sie verstand instinktiv, dass diese Schriftstücke von Wert waren. Sie bewahrte alle Papiere sicher in einer Schublade in ihrem Büro auf, in der Hoffnung, Anne nach ihrer Rückkehr aus den Lagern übergeben zu können.

Diese Geste war von unschätzbarem Wert. Miep Gies riskierte ihr eigenes Leben, um diese Papiere zu bewahren. Erst im Frühjahr 1945, als sich die schreckliche Nachricht bestätigte, dass Anne und ihre Schwester Margot im Konzentrationslager Bergen-Belsen gestorben waren, übergab Miep Gies die gesammelten Tagebücher und Schriften an Otto Frank. Ohne ihre Weitsicht und ihren Einsatz wären diese Seiten der Geschichte für immer verloren gegangen.

Margots verschollenes Tagebuch: Eine Lücke auf Papier

Es ist weniger bekannt, dass auch Annes ältere Schwester Margot ein Tagebuch führte. Dies berichteten sowohl Miep Gies als auch Otto Frank. Margot war ebenfalls ein stilles, nachdenkliches Mädchen, und es ist vorstellbar, dass sie ihre eigenen Erlebnisse und Gefühle ebenfalls schriftlich festhielt. Bedauerlicherweise sind Margots Tagebücher nicht erhalten geblieben. Miep Gies durchsuchte das Hinterhaus nach Margots Aufzeichnungen, fand aber nichts. Es wird vermutet, dass Margot ihr Tagebuch möglicherweise bei der Verhaftung bei sich trug oder es an einem anderen Ort versteckt hatte, der nie gefunden wurde. Das Fehlen von Margots Tagebuch ist eine schmerzliche Lücke in der Dokumentation dieser Zeit und zeigt, wie fragil die Überlieferung auf Papier sein kann, wenn die Umstände gegen sie arbeiten.

Fazit: Das Erbe auf Papier

Anne Franks Tagebuch, geschrieben auf einem Poesiealbum, in Schulheften und auf losen Blättern, ist weit mehr als nur eine Ansammlung von Papierseiten, beschrieben mit Tinte. Es ist ein Symbol für die Stimme eines jungen Mädchens, die sich weigerte, zum Schweigen gebracht zu werden, selbst unter den extremsten Bedingungen. Es ist ein Zeugnis für die Kraft des Schreibens als Mittel zur Selbstfindung, zur Verarbeitung von Traumata und zur Bewahrung der Menschlichkeit in unmenschlichen Zeiten. Die Geschichte der physischen Tagebücher – wie sie begonnen wurden, wie sie gefüllt wurden, wie sie überarbeitet und schließlich gerettet wurden – ist untrennbar mit der Geschichte von Anne Frank selbst verbunden. Sie erinnert uns daran, dass selbst die einfachsten Schreibmaterialien – Papier und Stift – das Potenzial haben, die Welt zu verändern und Generationen zu berühren. Das Tagebuch von Anne Frank bleibt ein eindringliches Beispiel dafür, wie persönliche Notizen auf Papier zu einem universellen Ruf nach Toleranz, Verständnis und Frieden werden können.

Häufig gestellte Fragen

Hat Anne Frank das Tagebuch wirklich geschrieben?
Ja, die Authentizität von Anne Franks Tagebuch wurde durch umfangreiche wissenschaftliche Untersuchungen bestätigt.

Wann hat Anne Frank ihr Tagebuch geschenkt bekommen?
Sie bekam es am 12. Juni 1942 zu ihrem 13. Geburtstag geschenkt.

Wann zog die Familie Frank in ihr Versteck in Amsterdam?
Die Familie zog in der Nacht vom 6. Juli 1942 in das Hinterhaus in der Prinsengracht 263.

Hatte Anne mehrere Tagebücher?
Ja, nachdem ihr erstes Poesiealbum voll war, schrieb sie in zwei Schulheften und auf etwa 300 losen Blättern weiter.

Wer ist Kitty?
Kitty ist eine imaginäre Adressatin, die Anne nach einer Figur aus einer Buchreihe benannte. Sie schrieb viele ihrer Tagebucheinträge als Briefe an Kitty.

Gibt es unterschiedliche Versionen des Tagebuchs?
Ja, Anne schrieb zunächst für sich selbst, überarbeitete das Tagebuch später für eine Veröffentlichung als Roman, und die erste publizierte Fassung ist eine Zusammenstellung ihres Vaters Otto Frank aus beiden Versionen.

Wer rettete das Tagebuch?
Miep Gies, eine der Helferinnen der Familie Frank, sammelte die Tagebücher und Papiere nach der Verhaftung der Familie ein und bewahrte sie auf.

Schrieb Annes Schwester auch ein Tagebuch?
Ja, Annes Schwester Margot führte ebenfalls ein Tagebuch, das aber nicht erhalten geblieben ist.

Was ist der Anne Frank Tag?
Informationen hierzu liegen uns basierend auf dem bereitgestellten Text nicht vor.

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