11/12/2020
Martin Scorseses Film "The Wolf of Wall Street", mit Leonardo DiCaprio in der Hauptrolle als Jordan Belfort, hat das Bild des Verkaufsberufs in der Populärkultur stark geprägt, oft in einem negativen Licht. Während der Film die Exzesse und betrügerischen Praktiken von Belforts Stratton Oakmont zeigt, verbirgt sich in einer seiner berühmtesten Szenen eine fundamentale und äußerst wertvolle Lektion für jeden, der im Vertrieb tätig ist: die Szene "Verkauf mir diesen Stift".

In dieser Szene fordert Jordan Belfort seine Gruppe von unerfahrenen und undisziplinierten Verkäufern auf, ihm einen einfachen Stift zu verkaufen. Einer nach dem anderen nimmt den Stift entgegen und beginnt, dessen Merkmale aufzuzählen: "Das ist der beste Stift, der je hergestellt wurde...", "Mit diesem Stift müssen Sie nie wieder einen kaufen..." Belfort schüttelt den Kopf, unbeeindruckt. Die Verkäufer konzentrieren sich auf das Produkt und seine Eigenschaften.

Dann ergreift einer der angehenden Verkäufer den Stift, reicht Belfort ein Blatt Papier und sagt: "Schreiben Sie Ihren Namen auf dieses Blatt." Als Belfort nach etwas zum Schreiben sucht, liefert der smarte Verkäufer die Pointe: "Oh, Sie haben keinen Stift mehr. Angebot und Nachfrage, Kumpel."
Diese Szene ist so wirkungsvoll, weil sie den Kern effektiven Verkaufs auf den Punkt bringt. Es geht nicht darum, wie großartig Ihr Produkt oder Ihre Dienstleistung ist – das sind die Merkmale und Vorteile, die die ersten Verkäufer anpreisen. Es geht darum, ein Bedürfnis zu erkennen oder zu schaffen. Der erfolgreiche Verkäufer hat Belfort in eine Situation gebracht, in der er einen Stift *brauchte*. Er hat nicht den Stift verkauft, sondern die Lösung für ein Problem, das er gerade geschaffen oder aufgedeckt hat: die Unfähigkeit, seinen Namen zu schreiben.
- Warum Bedürfnisse erkennen wichtiger ist als Produktmerkmale
- Bedürfnisse identifizieren: Mehr als nur Zuhören
- Dringlichkeit schaffen: Authentisch und wirkungsvoll
- Die Einsätze erhöhen: Eine Technik aus dem Film
- Anwendung auf Bürobedarf: Jenseits des Stifts
- Vergleich: Produkt vs. Bedarfs-zentrierter Verkauf
- Häufig gestellte Fragen zur "Verkauf mir diesen Stift"-Lektion
- Fazit
Warum Bedürfnisse erkennen wichtiger ist als Produktmerkmale
Der häufigste Fehler im Vertrieb ist der "Produkt-Schwerpunkt". Verkäufer sind oft so begeistert von dem, was sie verkaufen, dass sie sofort beginnen, Merkmale, Funktionen und Vorteile herunterzubeten. Sie präsentieren das Produkt, bevor sie verstehen, ob und warum der Kunde es überhaupt gebrauchen könnte. Das ist, als würde man jemandem eine Flasche Wasser verkaufen, der gerade ein Glas voll getrunken hat. Das Wasser mag das reinste und erfrischendste der Welt sein, aber wenn kein Durst da ist, ist es im Moment wertlos.
Die Lektion aus "Verkauf mir diesen Stift" ist klar: Beginnen Sie nicht mit dem Stift. Beginnen Sie mit dem *Bedürfnis*, das der Stift erfüllen kann. Oder, noch besser, helfen Sie dem Kunden, dieses Bedürfnis selbst zu erkennen.
Bedürfnisse identifizieren: Mehr als nur Zuhören
Oft sind die Bedürfnisse eines Interessenten nicht sofort offensichtlich. Sie können unter einer Vielzahl anderer Prioritäten, Ablenkungen oder sogar Gewohnheiten verborgen sein. Kunden haben sich vielleicht so sehr an ihre aktuelle, suboptimale Situation gewöhnt (ihre "Workarounds"), dass sie gar nicht mehr aktiv darüber nachdenken, dass es eine bessere Lösung gibt.
Hier kommt die entscheidende Rolle des Verkäufers ins Spiel. Ihre Aufgabe ist es, dem Kunden zu helfen, einen Schritt zurückzutreten und seine Situation objektiver zu betrachten. Dies geschieht durch das, was man als Consultative Selling oder Bedarfsanalyse bezeichnet.

Es geht darum, gezielte, offene Fragen zu stellen, die den Kunden zum Nachdenken anregen und seine Herausforderungen, Probleme oder unerfüllten Potenziale aufdecken. Fragen wie:
- "Was sind Ihre größten Herausforderungen im Moment in Bezug auf...?"
- "Wie gehen Sie aktuell mit Situation X um? Welche Schwierigkeiten ergeben sich dabei?"
- "Welche Ziele verfolgen Sie in den nächsten Monaten/Jahren und wie könnte die aktuelle Situation diese beeinflussen?"
- "Wenn Sie eine Sache an Ihrem aktuellen Prozess ändern könnten, welche wäre das und warum?"
Solche Fragen helfen, Schmerzpunkte (Pain Points) aufzudecken – die spezifischen Probleme, die dem Kunden Kopfzerbrechen bereiten oder ihn Geld, Zeit oder Nerven kosten. Sie helfen auch, die zugrunde liegende Käufermotivation zu verstehen. Warum möchte der Kunde überhaupt etwas ändern oder verbessern?
Selbst bei innovativen Produkten, für die es noch keinen offensichtlichen Markt gibt, müssen Sie ein Bedürfnis etablieren. Dies geschieht, indem Sie die Diskrepanz zwischen der aktuellen Situation des Kunden und dem aufzeigen, was durch Ihr Produkt möglich wäre. Sie liefern ein überzeugendes Wertversprechen (Value Proposition), das zeigt, welchen konkreten Nutzen Ihr Produkt im Kontext der spezifischen Herausforderungen des Kunden bringt.
Dringlichkeit schaffen: Authentisch und wirkungsvoll
Ein Bedürfnis zu identifizieren ist der erste Schritt. Der zweite, ebenso wichtige Schritt, ist die Schaffung von Dringlichkeit. Der Kunde mag ein Problem haben, aber wenn er nicht das Gefühl hat, dass es *jetzt* gelöst werden muss, wird Ihre Verkaufschance gering sein. Viele Verkäufer versuchen, künstliche Dringlichkeit zu erzeugen ("Das Angebot gilt nur heute!", "Wir haben nur noch wenige auf Lager!"). Während solche Taktiken manchmal funktionieren, sind sie oft leicht zu durchschauen und können das Vertrauen untergraben.
Die Szene im Film zeigt eine andere Art von Dringlichkeit: eine authentische. Der Verkäufer schafft eine unmittelbare Notwendigkeit – Belfort *muss* seinen Namen schreiben, aber er *kann nicht*, weil er keinen Stift hat. Diese Dringlichkeit ergibt sich direkt aus der Situation und dem Wunsch, die Aufgabe zu erledigen.
Im realen Vertrieb bedeutet authentische Dringlichkeit, dem Kunden die Konsequenzen der Untätigkeit oder einer Verzögerung aufzuzeigen. Was kostet es den Kunden, wenn er das Problem nicht löst? Welche Chancen verpasst er? Welche Risiken geht er ein?
Als Experte für Ihr Produkt oder Ihre Dienstleistung haben Sie die Verantwortung, den Kunden über diese potenziellen Folgen aufzuklären. Vielleicht verliert er durch ineffiziente Prozesse täglich wertvolle Arbeitszeit (Bedürfnis: Effizienzsteigerung, Dringlichkeit: täglicher Verlust summiert sich). Vielleicht riskiert er, wichtige Kunden zu verlieren, weil seine aktuelle Lösung unzuverlässig ist (Bedürfnis: Zuverlässigkeit, Dringlichkeit: Gefahr des Kundenverlusts ist real).
Diese Art von Dringlichkeit ist nicht manipulativ. Sie basiert auf Fakten und hilft dem Kunden, die Bedeutung seines Bedarfs im Gesamtkontext seines Geschäfts oder Lebens zu erkennen und ihm eine höhere Priorität einzuräumen.

Die Einsätze erhöhen: Eine Technik aus dem Film
Filme leben von Konflikten und Dringlichkeit. Die Bedürfnisse der Hauptfiguren müssen dringend sein, sonst gäbe es keine Geschichte. Die Technik des "Einsätze Erhöhens" (Raising the Stakes) wird verwendet, um dem Publikum zu zeigen, was auf dem Spiel steht, wenn das Problem nicht gelöst wird. Diese Technik lässt sich auch im Vertrieb anwenden.
Es geht darum, dem Kunden zu helfen, die Verbindung zwischen dem spezifischen Problem, das Ihr Produkt löst (z. B. ein Drucker, der ständig kaputt geht), und den größeren Auswirkungen auf sein Leben oder Geschäft zu sehen (z. B. verpasste Fristen, frustrierte Mitarbeiter, Kosten für Reparaturen, schlechtes Unternehmensimage). Indem Sie diese Assoziationen herstellen, helfen Sie dem Kunden, die Dringlichkeit der Situation zu erkennen und die Entscheidung, in eine Lösung zu investieren, höher auf seiner Prioritätenliste anzusiedeln.
Fragen, die helfen, die Einsätze zu erhöhen, könnten sein:
- "Wie wirkt sich die Zeit, die Ihre Mitarbeiter mit Druckerproblemen verbringen, auf ihre Gesamtproduktivität aus?"
- "Welche Konsequenzen hätte es, wenn Sie einen wichtigen Bericht nicht rechtzeitig einreichen könnten, weil der Drucker ausfällt?"
- "Wie beeinflussen die laufenden Kosten für Reparaturen und teure Verbrauchsmaterialien Ihr Budget für andere wichtige Ausgaben?"
Diese Fragen führen den Kunden vom einfachen Problem ("Der Drucker ist alt") zu den größeren, wichtigeren Auswirkungen ("Zeitverlust, Kosten, Risiko").
Anwendung auf Bürobedarf: Jenseits des Stifts
Die Lektion "Verkauf mir diesen Stift" lässt sich auf nahezu jedes Produkt im Bereich Bürobedarf anwenden:
- Drucker: Verkaufen Sie nicht einfach einen Drucker mit hoher Druckgeschwindigkeit. Fragen Sie: "Wie wichtig ist es für Sie, dass Berichte schnell gedruckt werden können, um Fristen einzuhalten?" oder "Welche Kosten entstehen durch die häufigen Wartungen Ihres alten Geräts?" Verkaufen Sie Zuverlässigkeit, Effizienz und Kosteneinsparung.
- Toner & Tinte: Verkaufen Sie nicht nur eine Patrone. Fragen Sie: "Wie oft stehen Sie vor dem Problem, dass der Toner leer ist, wenn Sie dringend drucken müssen?" oder "Welche Qualitätsanforderungen haben Sie an Ihre Ausdrucke für externe Kommunikation?" Verkaufen Sie unterbrechungsfreies Arbeiten und professionelle Qualität.
- Papier: Verkaufen Sie nicht nur einen Stapel Papier. Fragen Sie: "Für welche Zwecke verwenden Sie das Papier hauptsächlich? (z.B. interne Notizen, Kundenangebote)" oder "Wie wichtig ist Ihnen ein professionelles Erscheinungsbild Ihrer Dokumente?" Verkaufen Sie die Zuverlässigkeit, das richtige Medium für den Zweck zu haben, und ein positives Unternehmensbild.
- Schreibtisch-Accessoires: Verkaufen Sie nicht nur einen Stifthalter. Fragen Sie: "Wie viel Zeit verbringen Sie damit, auf Ihrem Schreibtisch nach dem richtigen Utensil zu suchen?" Verkaufen Sie Organisation und Zeitersparnis.
In jedem Fall geht es darum, die spezifische Situation des Kunden zu verstehen und Ihr Produkt als die optimale Lösung für ein identifiziertes und als dringend empfundenes Problem zu positionieren.
Vergleich: Produkt vs. Bedarfs-zentrierter Verkauf
Produkt-zentrierter Verkauf | Bedarfs-zentrierter Verkauf |
---|---|
Fokus liegt auf den Merkmalen des Produkts. | Fokus liegt auf den Problemen und Zielen des Kunden. |
Stellt Fragen wie: "Was halten Sie von diesem Merkmal?" | Stellt Fragen wie: "Welche Herausforderungen haben Sie?" |
Präsentiert das Produkt früh im Gespräch. | Präsentiert die Lösung nach dem Verständnis des Bedarfs. |
Verkäufer spricht mehr als der Kunde. | Kunde spricht mehr als der Verkäufer (aktives Zuhören). |
Dringlichkeit ist oft künstlich oder fehlt. | Dringlichkeit ergibt sich aus den Konsequenzen des Problems. |
Verkauf ist eine Transaktion. | Verkauf ist eine Problemlösung und Partnerschaft. |
Häufig gestellte Fragen zur "Verkauf mir diesen Stift"-Lektion
Ist diese Technik nur für aggressive Verkäufer geeignet?
Nein, ganz im Gegenteil. Die Lektion ist die Grundlage für einen kundenorientierten, beratenden Verkaufsansatz. Es geht darum, dem Kunden zu helfen, seine eigenen Bedürfnisse besser zu verstehen, nicht darum, ihm etwas aufzudrängen.

Was mache ich, wenn der Kunde gar kein Bedürfnis hat?
Wenn Sie nach sorgfältiger Bedarfsanalyse feststellen, dass der Kunde aktuell kein Problem hat, das Ihr Produkt löst, oder dass die Konsequenzen der Untätigkeit für ihn gering sind, dann ist es wahrscheinlich kein passender Zeitpunkt für einen Verkauf. Drängen Sie nicht. Konzentrieren Sie sich auf Interessenten, bei denen Sie einen echten Mehrwert schaffen können.
Wie schaffe ich Dringlichkeit, ohne aufdringlich zu wirken?
Authentische Dringlichkeit entsteht, indem Sie die realen, oft quantifizierbaren, Konsequenzen des Status quo aufzeigen. Konzentrieren Sie sich auf Fakten und Logik (Kosten, Zeitverlust, Risiko, verpasste Chancen), nicht auf emotionalen Druck oder künstliche Verknappung. Fragen Sie nach den Auswirkungen, anstatt Behauptungen aufzustellen.
Gilt das auch für den Online-Verkauf von Bürobedarf?
Ja, auch wenn die direkte Interaktion fehlt, muss Ihre Produktpräsentation und Marketingkommunikation auf die Bedürfnisse der Zielgruppe zugeschnitten sein. Produktbeschreibungen, Website-Inhalte und Werbeanzeigen sollten hervorheben, welche Probleme das Produkt löst und welche Vorteile es bietet, basierend auf den typischen Bedürfnissen der Kunden (z. B. Zeitersparnis bei der Bestellung, Kosteneffizienz bei Verbrauchsmaterialien, Zuverlässigkeit von Geräten).
Fazit
Die Szene "Verkauf mir diesen Stift" aus "The Wolf of Wall Street" mag aus einem Film über fragwürdige Geschäftspraktiken stammen, aber die darin enthaltene Verkaufslektion ist unbestreitbar wertvoll und universell anwendbar. Sie erinnert uns daran, dass erfolgreicher Vertrieb nicht mit dem Produkt beginnt, sondern mit dem Kunden und seinen Bedürfnissen. Indem Sie lernen, diese Bedürfnisse zu erkennen, zu verstehen und dem Kunden zu helfen, die Dringlichkeit ihrer Lösung zu erkennen, positionieren Sie sich nicht als einfacher Produktverkäufer, sondern als Berater und Problemlöser. Das ist der Schlüssel, um im Vertrieb wirklich erfolgreich zu sein, egal ob Sie Stifte, Drucker oder komplexe Software verkaufen.
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