26/03/2021
Die Frage nach dem genauen Alter einer Stadt wie Wendlingen am Neckar ist vielschichtig, denn die heutige Stadt ist das Ergebnis einer reichen Geschichte, die einzelne Ortsteile über Jahrhunderte hinweg geprägt hat, bevor sie zu einer Einheit zusammenwuchsen. Gelegen im Landkreis Esslingen in Baden-Württemberg, zeichnet sich Wendlingen am Neckar durch seine Lage an der Mündung der Lauter in den Neckar aus. Doch wann begann die Geschichte dieses Ortes?
- Frühe Siedlungsspuren und erste Erwähnungen
- Eigenständige Wege: Wendlingen, Unterboihingen und Bodelshofen
- Die Geburt der modernen Stadt: Zusammenschluss 1940
- Wachstum und Entwicklung nach dem Krieg
- Wirtschaft und Infrastruktur: Von der Industrie zur modernen Anbindung
- Kulturelle Schätze und historische Bauwerke
- Das Leben in Wendlingen heute
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Zeittafel der Zusammenschlüsse
Frühe Siedlungsspuren und erste Erwähnungen
Archäologische Funde auf dem Gebiet des heutigen Wendlingen am Neckar deuten auf eine sehr viel längere Besiedlungsgeschichte hin als die schriftliche Überlieferung. So wurde in Unterboihingen eine römische Villa Rustica mit einer Badeanlage entdeckt, deren Ausmaße sie zu einer der größten ihrer Art in Baden-Württemberg machen. Auch ein alemannisches Gräberfeld aus dem 6. oder 7. Jahrhundert n. Chr. in Unterboihingen belegt die frühe germanische Besiedlung des Gebiets. Diese Funde zeigen, dass Menschen hier bereits vor vielen Jahrhunderten lebten und wirkten.

Die erste schriftliche Erwähnung der einzelnen Ortsteile erfolgte deutlich später. Wendlingen selbst wird erstmals im Jahr 1132 urkundlich genannt. Unterboihingen findet sich in Schenkungsbüchern des Klosters Hirsau um 1100 und 1130 erwähnt, wobei die genaue Unterscheidung zu Oberboihingen erst einer Urkunde von 1336 zu entnehmen ist. Der dritte Ortsteil, Bodelshofen, wird erstmals 1268 als Rittergut urkundlich erwähnt.
Eigenständige Wege: Wendlingen, Unterboihingen und Bodelshofen
Über Jahrhunderte hinweg entwickelten sich diese drei Orte weitgehend eigenständig, oft unter wechselnden Herrschaften. Wendlingen erhielt bereits 1230 von den Grafen von Aichelberg erstmals das Stadtrecht, das es jedoch 1805 im Zuge der Aufhebung der Landstände wieder verlor. Die Eusebiuskirche, die das Bild des alten Wendlingen prägt, wurde unter den Herren von Wernau erbaut, die den Ort im späten Mittelalter besaßen. Wendlingen war zudem für seine Mühlen am Mühlkanal bekannt, der Wasser von der Lauter bezog.
Unterboihingen hatte eine andere historische Entwicklung. Es war zeitweise im Besitz der Grafen von Hohenberg, der Grafen von Aichelberg und der Herren von Wernau. Bemerkenswert ist, dass Unterboihingen über Jahrhunderte eine der wenigen katholischen Ortschaften in der Region war. Mit dem Bau der Bahnstrecke Plochingen–Immendingen erhielt Unterboihingen 1859 einen Bahnhof, was den Beginn des Industriezeitalters markierte.
Bodelshofen, ursprünglich ein Rittergut, kam um 1400 an die Herren von Wernau und wechselte später mehrfach den Besitzer. Es behielt eine gewisse Selbständigkeit, auch nachdem es 1829 mit Wendlingen vereinigt wurde. Geprägt wurde Bodelshofen insbesondere durch das Hofgut und die Jakobuskirche, die am Jakobsweg liegt.
Die Geburt der modernen Stadt: Zusammenschluss 1940
Der Weg zur heutigen Stadt Wendlingen am Neckar war ein Prozess schrittweiser Zusammenlegung. Bereits 1829 wurde der Weiler Bodelshofen mit der Gemeinde Wendlingen vereinigt, behielt aber zunächst noch ein eigenes Bürgerrecht. Die vollständige Eingemeindung Bodelshofens nach Wendlingen erfolgte dann im Jahr 1934.
Der entscheidende Schritt zur Bildung der heutigen Stadt war der Zusammenschluss der ehemals selbständigen Gemeinden Wendlingen (mit Bodelshofen) und Unterboihingen. Dies geschah durch eine Verfügung des württembergischen Reichsstatthalters und trat am 1. April 1940 in Kraft. Der Name der neu gebildeten Gemeinde wurde Wendlingen am Neckar. Diese administrative Einheit von 1940 bildet die Grundlage der heutigen Stadt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte Wendlingen am Neckar, wie viele andere Orte in Deutschland, einen deutlichen Bevölkerungszuwachs durch die Ansiedlung von Heimatvertriebenen. Am 15. Dezember 1964 wurde der Gemeinde Wendlingen am Neckar durch die Landesregierung Baden-Württemberg die Bezeichnung „Stadt“ verliehen. Damit erhielt Wendlingen nach über 150 Jahren erneut Stadtrechte.
Wachstum und Entwicklung nach dem Krieg
Seit der Gründung der modernen Stadt 1940 hat sich Wendlingen am Neckar stetig weiterentwickelt. Der Zuzug nach dem Krieg prägte das gesellschaftliche Leben; die Tradition des Vinzenzifestes, mitgebracht von den Egerländern, wird bis heute gefeiert und ist ein bedeutendes Brauchtumsfest.
Ab den späten 1950er Jahren begann die bauliche Entwicklung der Neuen Stadtmitte, die mit der Fertigstellung des Rathauses 1959 ihren Anfang nahm und mit der Eröffnung des Stadt- und Kulturhauses Treffpunkt Stadtmitte im Jahr 2009 ihren Abschluss fand. Dieses Zentrum beherbergt heute Musikschule, Volkshochschule, Vereine und Begegnungsstätten.
Auch die Infrastruktur für Sport und Bildung wurde massiv ausgebaut. Im Gewann Im Speck entstanden ab 2009 neue Sportanlagen, darunter ein Sportpark und eine Sporthalle. Seit den 1990er Jahren entwickelte sich Wendlingen zur Schulstadt mit einem umfassenden Schulwesen, das von Grundschulen bis zum Gymnasium reicht.

Wirtschaft und Infrastruktur: Von der Industrie zur modernen Anbindung
Das Industriezeitalter begann in Wendlingen mit dem Anschluss an das Eisenbahnnetz 1859. Bedeutende Unternehmen wie die Textilfirma Otto und die Möbelfabrik Erwin Behr prägten lange Zeit die Wirtschaft und erlangten überregionale Bedeutung. Auch heute noch ist Wendlingen am Neckar ein gefragter Wohn- und Gewerbestandort mit verschiedenen Gewerbegebieten und einer großen Branchenvielfalt.
Die Stadt ist verkehrstechnisch exzellent angebunden. Sie liegt am Knotenpunkt der Bundesautobahn 8 und der Bundesstraße 313. Der Bahnhof Wendlingen (Neckar) ist ein wichtiger Knotenpunkt im öffentlichen Nah- und Fernverkehr. Er wird von der S-Bahn Stuttgart bedient und bietet seit 2022 Anschluss an die Schnellfahrstrecke Wendlingen–Ulm. Dies unterstreicht die zentrale Lage und die Bedeutung der Stadt im regionalen und überregionalen Verkehrsnetz. Auch das innerörtliche Radwegenetz wurde ausgebaut, um Wendlingen zu einer fahrradfreundlichen Stadt zu machen.
Kulturelle Schätze und historische Bauwerke
Wendlingen am Neckar besitzt eine Fülle an kulturellen und historischen Sehenswürdigkeiten, die die lange Geschichte der Ortsteile widerspiegeln.
- Die Kapelle im Hirnholz gilt als ältestes Gebäude der Stadt. Vermutlich um das Jahr 900 erbaut, birgt sie romanische Teile und beeindruckende Fresken aus Gotik und Renaissance.
- Die Eusebiuskirche in Wendlingen ist eine spätgotische Hallenkirche mit einem Patrozinium, das in Deutschland einzigartig ist. Ihre Baugeschichte reicht bis ins 15. Jahrhundert zurück, und sie beherbergt bedeutende Kunstwerke wie Glasfenster und eine Predella der Ulmer Schule.
- Die Jakobuskirche in Bodelshofen, ebenfalls gotisch, war im Mittelalter Sammelplatz für Pilger auf dem Jakobsweg. Auch hier wurden gotische Wandfresken freigelegt.
- In Unterboihingen zeugen die St. Kolumban-Kirche (mit Turm von 1593 und neugotischem Umbau) sowie das spätbarocke Pfarrhaus (mutmaßlich nach Plänen Balthasar Neumanns) von der katholischen Tradition des Ortes.
- Das Schloss Unterboihingen, ein ehemaliges Wasserschlösschen, ist bis heute in Privatbesitz, Teile werden aber für Veranstaltungen genutzt.
- Das Stadtmuseum in Unterboihingen, untergebracht in einem historischen Gebäudeensemble, vermittelt seit 2004 die Geschichte der Stadt auf lebendige Weise.
- Auch die industrielle Vergangenheit ist vielerorts sichtbar, beispielsweise am historischen Bahnhofsensemble in Unterboihingen oder an den unter Denkmalschutz stehenden Gebäuden der ehemaligen Firmen Otto und Behr.
- Die Ulrichsbrücke über den Neckar, erbaut um 1600, ist ein historisches Bauwerk, das heute Fußgängern und Radfahrern vorbehalten ist.
Das Leben in Wendlingen heute
Neben den historischen Stätten bietet Wendlingen am Neckar seinen Bürgern und Besuchern zahlreiche Freizeitmöglichkeiten. Das beheizte Terrassen-Freibad, die Stadtbücherei, die Begegnungsstätte „MiT“ und das Jugendhaus sind wichtige Treffpunkte. Naturliebhaber finden Erholung an den Seen Hüttensee und Schäferhauser See oder auf den Rad- und Wanderwegen entlang von Neckar und Lauter.
Die Stadt ist auch für ihre vielfältigen Veranstaltungen bekannt, die über das Jahr verteilt stattfinden, vom Cityfest und Vinzenzifest im Sommer bis zum Weihnachtsmarkt in der Adventszeit.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wie alt ist die Stadt Wendlingen am Neckar?
Die heutige Stadt Wendlingen am Neckar in ihrer aktuellen administrativen Form entstand am 1. April 1940 durch den Zusammenschluss der Gemeinden Wendlingen (mit Bodelshofen) und Unterboihingen. Die Bezeichnung „Stadt“ wurde ihr 1964 verliehen. Die Wurzeln der einzelnen Ortsteile reichen jedoch viel weiter zurück, mit ersten schriftlichen Erwähnungen zwischen 1100 und 1268 und archäologischen Funden aus römischer und alemannischer Zeit.
Wann wurde Wendlingen erstmals urkundlich erwähnt?
Der Ortsteil Wendlingen wurde erstmals 1132 urkundlich erwähnt. Unterboihingen bereits um 1100/1130 (wobei die genaue Unterscheidung zu Oberboihingen erst später erfolgte) und Bodelshofen 1268.
Wann erhielt Wendlingen Stadtrechte?
Wendlingen erhielt erstmals 1230 Stadtrechte, verlor diese aber 1805. Die heutige Stadt Wendlingen am Neckar erhielt die Bezeichnung „Stadt“ und damit erneut Stadtrechte im Jahr 1964.
Wofür ist Wendlingen am Neckar bekannt?
Wendlingen am Neckar ist für seine reiche Geschichte bekannt, die von römischen Funden bis zum Zusammenschluss 1940 reicht. Es ist bekannt für seine Lage am Neckar und der Lauter, seine historischen Kirchen (Eusebiuskirche, Kapelle im Hirnholz als ältestes Gebäude), das Stadtmuseum, seine industrielle Vergangenheit (Otto, Behr) und seine verkehrsgünstige Lage als wichtiger Bahnknotenpunkt.
Zeittafel der Zusammenschlüsse
Jahr | Ereignis |
---|---|
1829 | Vereinigung von Bodelshofen mit Wendlingen (Bodelshofen behält gewisse Selbständigkeit) |
1934 | Eingemeindung von Bodelshofen nach Wendlingen (Verlust der Selbständigkeit) |
1940 | Zusammenschluss von Wendlingen (mit Bodelshofen) und Unterboihingen zur Gemeinde „Wendlingen am Neckar“ |
1964 | Verleihung der Bezeichnung „Stadt“ an Wendlingen am Neckar |
Die Bevölkerungsentwicklung seit der Gründung der modernen Stadt zeigt ein kontinuierliches Wachstum:
Jahr | Einwohner | Jahr | Einwohner | Jahr | Einwohner |
---|---|---|---|---|---|
1946 | 6.392 | 1970 | 13.666 | 2000 | 15.569 |
1950 | 7.125 | 1980 | 14.661 | 2005 | 15.711 |
1956 | 8.710 | 1987 | 14.414 | 2010 | 15.978 |
1961 | 10.087 | 1991 | 15.425 | 2015 | 15.974 |
1965 | 11.699 | 1995 | 15.557 | 2020 | 16.173 |
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Frage nach dem Alter von Wendlingen am Neckar je nach Betrachtungsweise unterschiedlich beantwortet werden kann. Die moderne Stadt existiert seit 1940 und hat seit 1964 wieder Stadtrechte. Ihre Ortsteile blicken jedoch auf eine weit längere Geschichte zurück, die Jahrhunderte vor den ersten schriftlichen Erwähnungen beginnt und bis in die Römerzeit reicht. Diese tiefe historische Verwurzelung verbunden mit der dynamischen Entwicklung nach dem Zusammenschluss prägen das Wesen der Stadt Wendlingen am Neckar bis heute.
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