12/01/2024
Vorräte sind ein zentraler Bestandteil des Umlaufvermögens eines Unternehmens und spiegeln die Vermögenswerte wider, die entweder im Produktionsprozess verbraucht oder zum Verkauf bestimmt sind. Eine korrekte Erfassung, Bewertung und Verwaltung der Vorräte ist nicht nur für die interne Steuerung wichtig, sondern auch eine gesetzliche Pflicht, die sich direkt auf Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung auswirkt. Für Unternehmen, die mit Bürobedarf, Druckzubehör oder Papierwaren handeln oder diese in großem Umfang nutzen, ist das Verständnis der Vorräte besonders relevant.

Das Handelsgesetzbuch (HGB) und das Einkommensteuergesetz (EStG) enthalten detaillierte Vorschriften zur Behandlung von Vorräten. Diese Regeln stellen sicher, dass Unternehmen ein genaues Bild ihrer wirtschaftlichen Lage vermitteln. Die Unterscheidung zwischen verschiedenen Arten von Vorräten und das Wissen um die zulässigen Bewertungsverfahren sind entscheidend für eine ordnungsgemäße Buchführung und eine transparente Darstellung des Unternehmenswerts.
Was zählt alles zu den Vorräten?
Nach dem deutschen Handelsrecht (§ 266 Abs. 2 B. I. HGB) gliedert sich das Umlaufvermögen unter anderem in den Posten „Vorräte“. Dieser Posten umfasst typischerweise mehrere Unterkategorien, die je nach Art des Unternehmens und dessen Geschäftsmodell variieren können:
- Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe
- Unfertige Erzeugnisse, unfertige Leistungen
- Fertige Erzeugnisse und Waren
- Geleistete Anzahlungen auf Vorräte
Diese Gliederung ist nicht willkürlich, sondern folgt einer logischen Abfolge im Wertschöpfungsprozess – von den Materialien, die in die Produktion eingehen, über die im Prozess befindlichen Güter bis hin zu den verkaufsfertigen Produkten oder Handelswaren.
Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe
Diese Kategorie bildet oft den Anfang der Vorratskette, insbesondere bei produzierenden Unternehmen:
- Rohstoffe: Dies sind die Hauptbestandteile eines Produkts. Bei einem Möbelhersteller wären dies z.B. Holz oder Metall.
- Hilfsstoffe: Sie gehen ebenfalls in das Endprodukt ein, machen aber nur einen untergeordneten Teil aus und sind oft schwer exakt zuzuordnen. Beispiele hierfür sind Schrauben, Leim oder Nägel bei der Möbelherstellung.
- Betriebsstoffe: Diese werden im Betrieb verbraucht, gehen aber nicht direkt in das fertige Produkt ein. Dazu zählen Schmieröle für Maschinen, Treibstoff für Firmenfahrzeuge, aber auch allgemeine Verbrauchsmaterialien wie Reinigungsmittel oder Energie.
Eine besondere Rolle spielen hier Büromaterialien. Toner, Papier, Stifte, Klebeband – all diese Dinge werden im Büroalltag verbraucht, ohne Teil des eigentlichen Verkaufsprodukts zu sein (es sei denn, das Unternehmen verkauft diese Artikel selbst). Sie fallen typischerweise unter die Betriebsstoffe oder werden manchmal auch als „sonstige Vorräte“ geführt. Kleinere Mengen von Büromaterialien, die einen geringen Wert haben und sich z.B. in den einzelnen Büros befinden, können aus Vereinfachungsgründen oft sofort als Aufwand verbucht werden, anstatt sie als Vorrat zu bilanzieren. Hier empfiehlt sich die Festlegung einer internen Wertgrenze, die steuerlich anerkannt sein kann.
Unfertige und fertige Erzeugnisse, unfertige Leistungen
Diese Posten sind vor allem für produzierende Unternehmen relevant:
- Unfertige Erzeugnisse: Das sind Produkte, die sich noch im Herstellungsprozess befinden und am Bilanzstichtag noch nicht fertiggestellt sind. Hier sind bereits Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie Arbeitszeit (Personalaufwand) eingeflossen.
- Fertige Erzeugnisse: Dies sind Produkte, deren Herstellung abgeschlossen ist und die verkaufsbereit sind.
- Unfertige Leistungen: Ähnlich wie unfertige Erzeugnisse, aber im Dienstleistungsbereich. Zum Beispiel eine Beratungsleistung, die am Bilanzstichtag noch nicht abgeschlossen ist.
Waren
Waren sind Vermögensgegenstände, die ein Unternehmen einkauft, um sie ohne wesentliche Be- oder Verarbeitung weiterzuverkaufen. Ein Händler für Bürobedarf bilanziert seine eingekauften Stifte, Druckerpatronen, Ordner und Papiere als Waren. Diese werden zu den Anschaffungskosten bewertet.
Geleistete Anzahlungen auf Vorräte
Wenn ein Unternehmen Vorauszahlungen für zukünftige Lieferungen von Rohstoffen, Hilfsstoffen, Betriebsstoffen, Waren oder anderen Vorräten leistet, werden diese als geleistete Anzahlungen auf Vorräte im Umlaufvermögen ausgewiesen. Sie stellen einen Anspruch auf Lieferung dar und sind somit ebenfalls Teil des Vorratsvermögens.

Bewertung von Vorräten: Wie wird der Wert ermittelt?
Die Bewertung der Vorräte zum Bilanzstichtag ist eine der komplexesten Aufgaben in der Buchhaltung. Der Wert der Vorräte beeinflusst maßgeblich das Ergebnis des Unternehmens, da er in die Berechnung der Herstellungskosten bzw. des Wareneinsatzes eingeht, die wiederum den Gewinn mindern.
Grundsätzlich gilt das Prinzip der Einzelbewertung (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB). Das bedeutet, dass jeder einzelne Gegenstand des Vorratsvermögens mit seinen individuellen Anschaffungs- oder Herstellungskosten bewertet werden müsste. In der Praxis ist dies jedoch oft nicht praktikabel, insbesondere bei einer großen Anzahl gleichartiger oder schwer identifizierbarer Gegenstände (wie z.B. Schrauben, Flüssigkeiten oder auch einer Palette Kopierpapier).
Aus diesem Grund erlaubt das HGB und EStG verschiedene Bewertungsvereinfachungsverfahren (§ 256 HGB, § 6 Abs. 1 Nr. 2a EStG):
- Festwertbewertung (§ 240 Abs. 3 HGB): Für Vorräte, deren Bestand in Menge und Wert nur geringen Schwankungen unterliegt und deren Gesamtwert für das Unternehmen von untergeordneter Bedeutung ist (z.B. geringe Mengen an Betriebsstoffen oder Kleinteilen), kann ein Festwert angesetzt werden. Dieser Wert wird über mehrere Jahre beibehalten, wobei nur in größeren Zeitabständen eine körperliche Bestandsaufnahme zur Überprüfung erfolgt. Dies ist eine Option für bestimmte Büromaterialien.
- Gruppenbewertung (§ 240 Abs. 4 HGB): Gleichartige oder annähernd gleichartige Vermögensgegenstände des Vorratsvermögens können zu einer Gruppe zusammengefasst und mit dem gewogenen Durchschnittswert bewertet werden.
- Verbrauchsfolgeverfahren (LIFO, FIFO): Diese Verfahren unterstellen fiktive Verbrauchsreihenfolgen, auch wenn die tatsächliche Entnahme anders erfolgt.
Das LIFO-Verfahren (Last In, First Out - „Zuletzt rein, zuerst raus“) unterstellt, dass die zuletzt angeschafften oder hergestellten Vorräte zuerst verbraucht oder verkauft werden. In Zeiten steigender Preise führt LIFO zu einem höheren Materialaufwand (bzw. Wareneinsatz) und damit zu einem geringeren ausgewiesenen Gewinn. Dies kann steuerlich vorteilhaft sein.
Das FIFO-Verfahren (First In, First Out - „Zuerst rein, zuerst raus“) unterstellt, dass die zuerst angeschafften oder hergestellten Vorräte auch zuerst verbraucht oder verkauft werden. In Zeiten steigender Preise führt FIFO zu einem geringeren Materialaufwand und einem höheren ausgewiesenen Gewinn.
Für die Bewertung von Waren sind grundsätzlich die Anschaffungskosten maßgeblich. Bei Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen sowie unfertigen und fertigen Erzeugnissen werden die Herstellungskosten angesetzt. Die Herstellungskosten umfassen Materialeinzelkosten, Fertigungseinzelkosten sowie angemessene Material- und Fertigungsgemeinkosten. Verwaltungskosten und Vertriebskosten dürfen nicht in die Herstellungskosten einbezogen werden (§ 255 Abs. 2 HGB).
Niederstwertprinzip
Zusätzlich zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten gilt das strenge Niederstwertprinzip für das Umlaufvermögen (§ 253 Abs. 4 HGB). Das bedeutet: Wenn der Marktwert (Börsen- oder Marktpreis) oder der beizulegende Zeitwert am Bilanzstichtag unter den Anschaffungs- oder Herstellungskosten liegt, muss eine außerplanmäßige Abschreibung auf diesen niedrigeren Wert vorgenommen werden. Dies ist unabhängig davon, ob die Wertminderung voraussichtlich von Dauer ist (wie beim Anlagevermögen). Steigt der Wert später wieder an, muss bis maximal zu den ursprünglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten zugeschrieben werden (§ 253 Abs. 5 HGB), es sei denn, die Wertminderung war steuerlich nicht abzugsfähig.

Die Inventurpflicht: Bestandsaufnahme ist Gesetz
Um den Wert der Vorräte am Bilanzstichtag korrekt ermitteln zu können, ist eine Inventur gesetzlich vorgeschrieben (§ 240 Abs. 2, § 242 Abs. 1, 2 HGB). Die Inventur ist eine körperliche Bestandsaufnahme aller vorhandenen Vermögensgegenstände und Schulden. Für Vorräte bedeutet dies in der Regel das Zählen, Messen oder Wiegen der Bestände.
Auch hier gibt es Vereinfachungsverfahren (§ 241 HGB):
- Stichprobeninventur: Anhand anerkannter mathematisch-statistischer Methoden wird der Gesamtbestand aus einer Stichprobe abgeleitet.
- Permanente Inventur: Die Bestände werden fortlaufend mengenmäßig in einem Lagerbuch geführt. Einmal im Geschäftsjahr muss dann eine körperliche Inventur zur Bestätigung erfolgen, diese kann aber zu einem beliebigen Zeitpunkt im Jahr stattfinden.
- Verlegte Inventur: Die körperliche Bestandsaufnahme findet innerhalb einer Frist von drei Monaten vor oder zwei Monaten nach dem Bilanzstichtag statt. Die Bestände am Bilanzstichtag werden dann anhand von Zu- und Abgängen zwischen dem Aufnahmetag und dem Stichtag rechnerisch fortgeschrieben bzw. zurückgerechnet.
Die Inventur ist die Grundlage für die Bewertung und die korrekte Darstellung der Vorräte in der Bilanz. Fehler bei der Inventur führen zu falschen Vorratswerten und somit zu einer verfälschten Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens.
Vorräte in Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung
In der Bilanz werden die Vorräte als Teil des Umlaufvermögens auf der Aktivseite ausgewiesen. Der ausgewiesene Wert ist der am Bilanzstichtag ermittelte und bewertete Bestand.
In der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) beeinflussen die Vorräte den ausgewiesenen Erfolg über den Materialaufwand bzw. den Wareneinsatz. Die Berechnung erfolgt vereinfacht nach folgendem Schema:
Anfangsbestand Vorräte + Zugänge (Einkäufe/Herstellung) - Endbestand Vorräte = Materialaufwand / Wareneinsatz
Ein höherer Endbestand führt zu einem geringeren Materialaufwand/Wareneinsatz und damit zu einem höheren Gewinn. Ein niedrigerer Endbestand hat den gegenteiligen Effekt. Abschreibungen auf Vorräte erhöhen den Materialaufwand oder werden in einem separaten Posten ausgewiesen (§ 275 Abs. 2 Nr. 7 b), 12 HGB).
Unterschied zwischen Vorräten und Anlagevermögen
Obwohl beides Vermögensgegenstände sind, gibt es einen fundamentalen Unterschied zwischen Vorräten (Umlaufvermögen) und Anlagevermögen. Anlagevermögen dient dem Geschäftsbetrieb langfristig (länger als ein Jahr), z.B. Maschinen, Gebäude, Fahrzeuge, aber auch Büromöbel oder Computer. Vorräte hingegen sind zum kurzfristigen Verbrauch oder Verkauf bestimmt. Ein Drucker im Büro ist Anlagevermögen, der dazu passende Toner ist Vorrat (Betriebsstoff).
FAQ zu Vorräten
Hier beantworten wir einige häufig gestellte Fragen zum Thema Vorräte:
Ist Büromaterial ein Vorrat?
Ja, Büromaterialien wie Papier, Toner oder Stifte zählen grundsätzlich zu den Betriebsstoffen oder sonstigen Vorräten im Umlaufvermögen. Allerdings können geringwertige und mengenmäßig unbedeutende Bestände aus Vereinfachungsgründen sofort als Aufwand verbucht werden.

Wie werden Vorräte bewertet?
Grundsätzlich mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten unter Beachtung des Niederstwertprinzips. Vereinfachungsverfahren wie Festwert, Gruppenbewertung, LIFO oder FIFO sind zulässig.
Was ist der Unterschied zwischen LIFO und FIFO?
LIFO (Last In, First Out) unterstellt, dass die zuletzt gekauften/hergestellten Vorräte zuerst verbraucht werden. FIFO (First In, First Out) unterstellt, dass die zuerst gekauften/hergestellten Vorräte zuerst verbraucht werden. Dies beeinflusst die Höhe des Materialaufwands und des Endbestands.
Muss ich jeden Stift zählen?
Nein, bei der Inventur sind Vereinfachungsverfahren wie die Stichprobeninventur oder die permanente Inventur zulässig. Für geringwertige Betriebsstoffe wie Büromaterial kann auch die Festwertmethode angewendet werden oder der sofortige Verbrauch unterstellt werden, wenn die Bestände unbedeutend sind.
Was passiert bei Wertminderung von Vorräten?
Bei einer Wertminderung (z.B. durch Beschädigung, Veralterung, gesunkene Marktpreise) muss eine Abschreibung auf den niedrigeren Wert erfolgen (Niederstwertprinzip).
Fazit
Das Vorratsvermögen ist eine wichtige Bilanzposition, deren korrekte Erfassung und Bewertung entscheidend für die Abbildung der Unternehmensrealität ist. Von Rohstoffen, die in die Produktion eingehen, über Waren, die zum Weiterverkauf bestimmt sind, bis hin zu Betriebsstoffen wie Büromaterial – alle diese Posten unterliegen spezifischen Regeln. Das Wissen um die gesetzlichen Vorgaben zur Inventur und die zulässigen Bewertungsverfahren nach HGB und EStG ist unerlässlich. Eine sorgfältige Vorratsverwaltung und -bewertung sorgt nicht nur für Compliance, sondern liefert auch wichtige Kennzahlen für die Steuerung des Unternehmens.
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